91. Die zwei unterirdischen Weiber

[128] Folgende Begebenheit hat Prätorius von einem Studenten erfahren, dessen Mutter gesagt hatte, sie sei zu Dessau geschehen.

Nachdem eine Frau ein Kind zur Welt gebracht, hat sie es bei sich gelegt und ist noch vor dessen Taufe in einen tiefen Schlaf verfallen. Zur Mitternacht sind zwei unterirdische Weiber gekommen, haben Feuer auf dem Hausherde gemacht, einen Kessel voll Wasser übergesetzt, ihr mitgebrachtes Kind darin gebadet und abgewaschen, solches hernach in die Stube getragen und mit dem andern schlafenden Kind ausgetauschet. Hierauf sind sie damit weggegangen, bei dem nächsten Berg aber um das Kind in Streit geraten, darüber es eine der andern zugeworfen und gleichsam damit geballet haben, bis das Kind darüber geschrien und die Magd im Hause erwachet. Als sie der Frauen Kind angeblickt und die Verwechselung gemerkt, ist sie vors Haus gelaufen und hat die Weiber noch also mit dem gestohlenen Kind hantieren gefunden, darauf sie hinzugetreten und hat mitgefangen, sobald sie aber das Kind in ihre Arme bekommen, ist sie eilends nach Haus gelaufen und hat die Wechselbutte vor die Tür geleget, welche darauf die Bergfrauen wieder zu sich genommen.

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsche Sagen. Zwei Bände in einem Band. München [1965], S. 128.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Sagen
Deutsche Sagen
Deutsche Sagen
Deutsche Sagen (insel taschenbuch)
Deutsche Sagen
Deutsche Sagen: Herausgegeben von den Brüdern Grimm