271. Der Nachtjäger und die Rüttelweiber

[269] Die Einwohner des Riesengebirges hören bei nächtlichen Zeiten oft Jägerruf, Hornblasen und Geräusch von wilden Tieren; dann sagen sie: »Der Nachtjäger jagt.« Kleine Kinder fürchten sich davor und werden geschweiget, wenn man ihnen zuruft: »Sei still, hörst du nicht den Nachtjäger jagen?« Er jagt aber besonders die Rüttelweiber, welche kleine, mit Moos bekleidete Weiblein sein sollen, verfolgt und ängstigt sie ohn Unterlaß. Es sei denn, daß sie an einen Stamm eines abgehauenen Baumes geraten, und zwar eines solchen, wozu der Hölzer (Holzbauer) »Gott wael's!« (Gott walte es) gesprochen hat. Auf solchem Holz haben sie Ruhe. Sollte er aber, als er die Axt zum erstenmal an den Baum gelegt, gesagt haben: »Wael's Gott!« (so daß er das Wort Gott hintangesetzt), so gibt ein solcher Stamm keinem Rüttelweibchen Ruh und Frieden, sondern es muß vor dem Nachtjäger auf stetiger Flucht sein.[269]

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsche Sagen. Zwei Bände in einem Band. München [1965], S. 269-270.
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