400. Alboin und Rosimund

[365] Nach Thurisends Tod brach dessen Sohn und Nachfolger Kunimund aufs neue den Frieden mit den Langobarden. Alboin aber schlug die Feinde, erlegte den Kunimund selber und machte sich aus dessen Schädel eine Trinkflasche. Kunimunds Tochter Rosimund führte er mit vielen andern in die Gefangenschaft und nahm sie darauf zu seiner Gemahlin. Alboins Taten erschollen überall, und sein Ruhm wurde nicht bloß bei den Langobarden, sondern auch bei den Bayern, Sachsen und andern Völkern der deutschen Zunge in Liedern besungen. Auch erzählen viele, daß zu seiner Zeit ganz vorzügliche Waffen geschmiedet worden seien.

Eines Tages saß Alboin zu Verona fröhlich am Mahl und befahl der Königin, in jener Schale Wein zu schenken, die er aus ihres Vaters Haupt gemacht hatte, und sprach zu ihr: »Trinke fröhlich mit deinem Vater!« Rosimund empfand tiefen Schmerz, bezwang sich gleichwohl und sann auf Rache. Sie wandte sich aber an Helmichis, des Königs Waffenträger (Schilpor) und Milchbruder, und bat ihn, daß er den Alboin umbringe. Dieser riet ihr, den Peredeo, einen tapfern Helden, ins Verständnis zu ziehen. Peredeo wollte aber mit dieser Untat[365] nichts gemein haben. Da barg sich Rosimund heimlich in ihrer Kammermagd Bett, mit welcher Peredeo vertrauten Umgang hatte; und so geschah's, daß er unwissend dahin kam und bei der Königin schlief. Nach vollbrachter Sünde frug sie ihn: für wen er sie wohl halte? Und als er den Namen seiner Freundin nannte, sagte sie: »Du irrst dich sehr, ich, Rosimund, bin's; und nun du einmal dieses begangen hast, geb ich dir die Wahl, entweder den Alboin zu ermorden oder zu erwarten, daß er dir das Schwert in den Leib stoße.« Da sah Peredeo das unausweichliche Übel ein und bewilligte gezwungen des Königs Mord.

Eines Mittags also, wie Alboin eingeschlafen war, gebot Rosimund Stille im ganzen Schlosse, schaffte alle Waffen beiseite und band Alboins Schwert an die Bettstelle stark fest, daß es nicht weggenommen noch aus der Scheide gezogen werden mochte. Dann führte sie, nach Helmichis' Rat, Peredeo herein. Alboin, aus dem Schlafe erwachend, sah die Gefahr, worin er schwebte, und wollte sein Schwert ergreifen; da er's nicht losbringen konnte, griff er den Fußschemel und wehrte sich eine gute Weile tapfer damit. Endlich aber mußte dieser kühne und gewaltige Mann, der so viele Feinde besiegt hatte, durch die List seiner Frau wehrlos unterliegen. Seinen Leichnam bestatteten die Langobarden weinend und klagend unter den Aufstieg einer Treppe, nah beim königlichen Schloß. Später öffnete Herzog Gisilbert das Grab und nahm das Schwert zusamt anderm Schmuck heraus. Er berühmte sich auch, den Alboin gesehen zu haben.

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsche Sagen. Zwei Bände in einem Band. München [1965], S. 365-366.
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