402. Sage vom König Authari

[367] Authari, König der Lamparten, sandte nach Bayern zu König Garibald und ließ um dessen Tochter Theodelind (Dietlind) freien. Garibald nahm die Boten freundlich auf und sagte die Braut zu. Auf diese Botschaft hatte Authari Lust, seine Verlobte selbst zu sehn, nahm wenige, aber geprüfte Leute mit, und darunter seinen Getreuesten, der als Ältester den ganzen Zug[367] anführen sollte. So langten sie ohne Verzug in Bayern an und wurden dem König Garibald in der Weise anderer Gesandten vorgestellt; der Älteste sprach den üblichen Gruß, hernach trat Authari selbst, der von keinem Bayer erkannt wurde, vor und sprach: »Authari, mein Herr und König, hat mich deshalb hierhergesandt, daß ich seine bestimmte Braut, die unsere Herrin werden soll, schaue und ihm ihre Gestalt genau berichten könne.« Auf diese Worte hieß der König seine Tochter kommen, und als sie Authari stillschweigend betrachtet hatte, auch gesehen, daß sie schön war und seinen Augen gefiel, redete er weiter: »Weil ich, o König, deine Tochter so gestaltet sehe, daß sie wert ist, unsere Königin zu werden, möge es dir belieben, daß ich aus ihrer Hand den Weinbecher empfange.« Der König gab seinen Willen dazu, Dietlind stand auf, nahm den Becher und reichte zuerst dem zu trinken, der unter ihnen der Älteste zu sein schien; hernach schenkte sie Authari ein, von dem sie nicht wußte, daß er ihr Bräutigam war. Authari trank, und beim Zurückgeben des Bechers rührte er leise mit dem Finger, ohne daß jemand es merkte, Dietlindens Hand an, darauf fuhr er sich selbst mit der Rechten von der Stirn an über die Nase das Antlitz herab. Die Jungfrau, vor Scham errötend, erzählte es ihrer Amme. Die Amme versetzte: »Der dich so anrührte, muß wohl der König und dein Bräutigam selber sein, sonst hätte er's nimmer gewagt; du aber schweige, daß es dein Vater nicht vernehme; auch ist er so beschaffen von Gestalt, daß er wohl wert scheint, König und dein Gemahl zu heißen.«

Authari war schön in blühender Jugend, von gelbem Haar und zierlich von Anblick. Bald darauf empfingen die Gesandten Urlaub beim König und zogen, von den Bayern geleitet, heim. Da sie aber nahe an der Grenze und die Bayern noch in der Gesellschaft waren, richtete sich Authari, soviel er konnte, auf dem Pferde auf und stieß mit aller Kraft ein Beil, das er in der Hand hielt, in einen nahe stehenden Baum. Das Beil haftete fest, und er sprach: »Solche Würfe pflegt König Authari zu tun!« Aus diesen Worten verstanden die Bayern, die ihn geleiteten, daß er selber der König war. –

Als einige Zeit darauf Dietlinde nach Lamparten kam und die Hochzeit festlich gehalten wurde, trug sich folgendes zu:[368] Unter den Gästen war auch Agilulf, ein vornehmer Langobard. Es erhob sich aber ein Unwetter, und der Blitzstrahl fuhr mit heftigem Donner in ein Holz, das innerhalb des Königs Zaungarten lag. Agilulf hatte unter seinem Gesinde einen Knecht, der sich auf die Auslegung der Donnerkeile verstand und, was daraus erfolgen würde, durch seine Teufelskunst wohl wußte. Nun begab sich's, daß Agilulf an einen geheimen Ort ging, sich des natürlichen Bedürfnisses zu erledigen, da trat der Knecht hinzu und sprach: »Das Weib, die heute unserm König vermählt worden ist, wird, nicht über lang, dein Gemahl werden.« Als Agilulf das hörte, bedrohte er ihn hart und sagte: »Du mußt dein Haupt verlieren, wo du ein Wort von dieser Sache fallen lässest.« Der Knabe erwiderte: »Du kannst mich töten, allein das Schicksal ist unwandelbar; denn traun, diese Frau ist darum in dies Land gekommen, damit sie dir anvermählt würde.« Dies geschah auch nach der Zeit.

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsche Sagen. Zwei Bände in einem Band. München [1965], S. 367-369.
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