Das achte Kapitel.

[200] Simplex den Teufel im Weg siehet liegen,

Springinsfeld pflegt schöne Pferd zu kriegen.


Meines Jupiters konnte ich nicht los werden, dann der Kommandant begehrte ihn nicht, weil nichts an ihm zu ropfen war, sondern sagte, er wollte mir ihn schenken. Also bekam ich einen eigenen Narrn und dorfte keinen kaufen, wiewohl ich das Jahr zuvor selbst vor einen mich hatte gebrauchen lassen müssen. So wunderlich ist das Glück und so veränderlich die Zeit! Kurz zuvor tribulierten mich die Läuse, und jetzt hatte ich den Flöhegott in meiner Gewalt. Vor einem halben Jahr dienete ich einem schlechten Dragoner vor einen Jungen; nunmehro aber vermochte ich zween Knechte, die mich Herr hießen. Es war noch kein Jahr vergangen, daß mir die Buben nachliefen, mich zur Hure zu machen; jetzt war es an dem, daß die Mägdlein selbst aus Liebe sich gegen mir vernarrten. Also ward ich beizeiten gewahr, daß nichts Beständigers in der Welt ist als die Unbeständigkeit selbsten. Dahero mußte ich sorgen, wann das Glück einmal seine Mucken gegen mich auslasse, daß es mir meine jetzige Wohlfahrt gewaltig eintränken würde.

Damals zog der Graf von der Wahl als Obrister- Gubernator des Westfälischen Kreises aus allen Garnisonen einzige Völker zusammen, eine Cavalcada durchs Stift Münster gegen der Vecht, Meppen, Lingen und der Orten zu tun, vornehmlich[200] aber zwo Kompagnien hessische Reuter im Stift Paderborn auszuheben, welche zwo Meilen von Paderborn lagen und den Unserigen daselbst viel Dampfs antäten. Ich ward unter unsern Dragonern mitkommandiert, und als sie einzige Truppen zum Hamm gesammlet, giengen wir schnell fort und berannten bemeldter Reuter Quartier, welches ein schlechtverwahrtes Städtlein war, bis die Unserige hernachkamen. Sie unterstunden durchzugehen, wir jagten sie aber wieder zurück in ihr Nest. Es ward ihnen angeboten, sie ohn Pferd und Gewehr, jedoch mit dem, was der Gürtel beschließe, passieren zu lassen; aber sie wollten sich nicht darzu verstehen, sondern mit ihren Karbinern wie Musketierer wehren. Also kam es darzu, daß ich noch dieselbe Nacht probieren mußte, was ich vor Glück im Stürmen hätte, weil die Dragoner vorangiengen; da gelang es mir so wohl, daß ich samt dem Springinsfeld gleichsam mit den ersten ganz unbeschädigt in das Städtlein kam. Wir leerten die Gassen bald, weil niedergemacht ward, was sich im Gewehr befand, und sich die Bürger nicht hatten wehren wollen; also gieng es mit uns in die Häuser. Springinsfeld sagte, wir müßten ein Haus vornehmen, vor welchem ein großer Haufen Mist läge; dann in denselben pflegten die reichste und wohlhabenste Kauzen zu sitzen, denen man gemeiniglich die Offizierer einlogierte. Darauf griffen wir ein solches an, in welchem Springinsfeld den Stall, ich aber das Haus zu visitieren vornahm, mit dieser Abrede, daß jeder dasjenige, was er bekäm, mit dem andern parten sollte. Also zündete jeder seinen Wachsstock an; ich rufte nach dem Vatter im Haus, kriegte aber keine Antwort, weil sich jedermann versteckt hatte, geriet indessen in eine Kammer, fand aber nichts als ein lär Bette darin und einen beschlossenen Trog; den hämmerte ich auf, in Hoffnung, etwas Kostbares zu finden: aber da ich den Deckel auftät, richtete sich ein kohlschwarzes Ding gegen mir auf, welches ich vor den Luzifer selbst ansahe. Ich kann schwören, daß ich mein Lebtag nie so erschrocken bin als eben damals, da ich diesen schwarzen Teufel so unversehens erblickte. »Daß dich dieser und jener erschlage!« sagte ich gleichwohl in solchem Schröcken und zuckte mein Äxtlein, damit ich den Trog aufgemacht, und hatte doch das Herz nicht, ihm solches in Kopf zu hauen. Er aber knieete nieder, hub die Hände auf und sagte: »Min leve Heer, ick bidde ju doer Gott, schinckt mi min Levend!« Da hörete ich erst, daß es kein Teufel war, weil er von Gott redete und um sein Leben bat, sagte demnach, er sollte sich aus dem Trog geheien. Das tät er und gieng mit mir so nackend, wie ihn Gott erschaffen hatte. Ich schnitt ein Stück von meinem Wachsstock[201] und gabs ihm, mir zu leuchten; das tät er gehorsamlich und führete mich in ein Stüblein, da ich den Hausvatter fand, der samt seinem Gesind dies lustige Spektakul ansahe und mit Zittern und demütigen Worten umb sein Leben und um Gnade bat. Diese erhielte er leicht, weil wir den Bürgern ohndas nichts tun dorften und er mir des Rittmeisters Bagage, darunter ein ziemlich wohl gespickt verschlossen Felleisen war, einhändigte mit Bericht, daß der Rittmeister und seine Leute bis auf einen Knecht und gegenwärtigen Mohren, sich zu wehren, auf ihre Posten gangen wären. Indessen hatte der Springinsfeld besagten Knecht mit sechs gesattelten schönen Pferden auch im Stall erwischt; die stellten wir ins Haus, verriegelten solches und ließen den Mohren sich anziehen, den Wirt aber auftragen, was er vor seinen Rittmeister zurichten müssen. Als aber die Tore geöffnet, die Posten besetzt und unser Generalfeldzeugmeister, Herr Graf von der Wahl, eingelassen ward, nahm er sein Logiment in ebendemselben Haus, darin wir uns befanden; darum mußten wir bei finsterer Nacht wieder ein ander Quartier suchen. Das fanden wir bei unsern Kameraden, die auch mit Sturm ins Städtlein kommen waren; bei denselbigen ließen wir uns wohl sein und brachten den übrigen Teil der Nacht mit Fressen und Saufen und trefflichem Wohl leben zu, nachdem ich und Springinsfeld miteinander unsere Beuten geteilet hatten. Ich bekam vor mein Teil den Mohren und die zwei besten Pferde, darunter ein spanisches war, auf welchem ein Soldat sich gegen seinem Gegenteil dorfte sehen lassen, mit dem ich nachgehends nicht wenig prangte. Aus dem Felleisen aber kriegte ich unterschiedliche köstliche Ringe und in einer güldenen Kapsel, mit Rubinen besetzt, des Prinzen von Uranien Conterfait, weil ich dem Springinsfeld das übrige alles ließe; kam also, wann ich alles halber hinweg hätte schenken wollen, mit Pferden und allem über die 200 Dukaten; vor den Mohren aber, der mich am allersaursten ankommen war, ward mir vom Gen.-Feldzeugmeister, als welchen ich ihm präsentierte, nicht mehr als zwei Dutzet Taler verehret. Von dannen giengen wir schnell an die Ems, richteten aber wenig aus; und weil sichs eben traf, daß wir auch gegen Recklinghausen zu kamen, nahm ich Erlaubnus, mit Springinsfeld meinem Pfaffen zuzusprechen, dem ich hiebevor den Speck gestohlen hatte. Mit demselben machte ich mich lustig und erzählte ihm, daß mir der Mohr den Schröcken, den er und seine Köchin neulich empfunden, wieder eingetränkt hätte, verehrte ihm auch eine schöne schlagende Halsuhr zum freundlichen Valete, so ich aus des Rittmeisters Felleisen bekommen hatte;[202] pflegte also allerorten diejenige zu Freunden zu machen, so sonsten Ursache gehabt hätten, mich zu hassen.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 200-203.
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