Das siebente Kapitel.

[27] Simplex hat Grillen, lernt schwimmen, dieweil

Ihm aus Maul gehet das Wasser in Eil.


Womit einer sündiget, damit pflegt einer auch gestraft zu werden. Diese Kindsblattern richteten mich dergestalt zu, daß ich hinfüro vor den Weibsbildern gute Ruhe hatte. Ich kriegte Gruben im Gesicht, daß ich aussahe wie eine Scheurtenne, darin man Erbsen gedroschen; ja ich ward so häßlich, daß sich meine schöne krause Haar, in welchen sich so manch Weibsbild verstrickt, meiner schämten und ihre Heimat verließen. Anstatt deren bekam ich andere, die sich den Säuborsten vergleichen ließen, daß ich also notwendig eine Parücke tragen mußte; und gleichwie auswendig an der Haut keine Zierde mehr übrigblieb, so gieng meine liebliche Stimme auch dahin, dann ich den Hals voller Blattern gehabt. Meine Augen, die man hiebevor niemal ohn Liebefeur finden können, eine jede zu entzünden, sahen jetzt so rot und triefend aus wie eines achtzigjährigen Weibes, das den Cornelium hat. Und über das alles so war ich in fremden Landen, kannte weder Hund noch Menschen, der[27] es treulich mit mir meinte, verstund die Sprache nicht und hatte allbereit kein Geld mehr übrig.

Da fieng ich erst an, hinter sich zu gedenken und die herrliche Gelegenheiten zu bejammern, die mir hiebevor zu Beförderung meiner Wohlfahrt angestanden, ich aber so liederlich und ohnachtsam hatte verstreichen lassen. Ich sahe erst zurück und merkte, daß mein extraordinari Glück im Krieg und mein gefundener Schatz nichts anders als eine Ursach und Vorbereitung zu meinem Unglück gewesen, welches mich nimmermehr so weit hinunter hätte werfen können, da es mich nit zuvor durch solche falsche Blick angeschauet und so hoch erhaben hätte; ja ich fand, daß dasjenige Gute, so mir begegnet und ich vor gut gehalten, bös gewesen und mich in das äußerste Verderben geleitet hatte. Da war kein Einsiedel mehr, der es treulich mit mir gemeinet, kein Obrister Ramsay, der mich in meinem Elend aufgenommen, kein Pfarrer, der mir das Beste geraten, und in Summa kein einziger Mensch, der mir etwas zugut getan hätte; sondern da mein Geld hin war, hieß es, ich sollte auch fort und meine Gelegenheit anderswo suchen, und hätte ich wie der verlorne Sohn mit den Säuen vorliebnehmen sollen. Damals gedachte ich erst an desjenigen Pfarrherrn guten Rat, der da vermeinte, ich sollte meine Mittel und Jugend zu den Studiis anwenden; aber es war viel zu spät mit der Scher, dem Vogel die Flügel zu beschneiden, weil er schon entflogen. O schnelle und unglückselige Veränderung! Vor vier Wochen war ich ein Kerl, der die Fürsten zur Verwunderung bewegte, das Frauenzimmer entzuckte und dem Volk als ein Meisterstück der Natur, ja wie ein Engel vorkam, jetzt aber so unwert, daß mich die Hunde anpißten. Ich machte wohl tausend und abertausenderlei Gedanken, was ich angreifen wollte; dann der Wirt wollte mich nicht mehr leiden und stieß mich aus dem Haus, da ich nichts mehr bezahlen konnte. Ich hätte mich gern unterhalten lassen, es wollte mich aber kein Werber vor einen Soldaten annehmen, weil ich als ein grindiger Kuckuck und schäbichter Leinenweber aussahe. Arbeiten konnte ich nit, dann ich war noch zu matt und überdas noch keiner Arbeit gewohnt. Sollte ich dann wieder ein Hirt werden, wie ich bei meinem Knan einer gewesen, oder gar betteln, dessen schämte ich mich. Nichts tröstete mich mehr, als daß es gegen den Sommer gieng und ich mich zur Not hinter einer Hecken behelfen konnte, weil mich niemand mehr im Haus wollte leiden. Ich hatte mein stattlich Kleid noch, das ich mir auf die Reise machen lassen, samt einem Felleisen voll kostbar Leinengezeug,[28] das mir aber niemand abkaufen wollte, weil jeder sorgte, ich möchte ihm auch eine Krankheit damit an Hals hängen. Solches nahm ich auf den Buckel, den Degen in die Hand und den Weg unter die Füße, der mich in ein klein Städtlein trug, so gleichwohl eine eigne Apotheke vermochte. In dieselbe gieng ich und ließ mir eine Salbe zurichten, die mir die Urschlechtenmäler im Gesicht vertreiben sollte; und weil ich kein Geld hatte, gab ich dem Apothekergesellen ein schön zart Hemd davor, der nicht so ekel war wie andere Narren, so keine Kleider von mir haben wollten. Ich gedachte, wann du nur der schandlichen Flecken los wirst, so wird sichs schon auch wieder mit deinem Elend bessern. Und weil mich der Apotheker tröstete, man würde mir über acht Tage ohn die tiefe Narben, so mir die Purpeln in die Haut gefressen, wenig mehr ansehen, war ich schon beherzter. Es war eben Markt daselbst, und auf demselben befand sich ein Zahnbrecher, der trefflich Geld lösete, da er doch liederlich Ding den Leuten dafür anhieng. »Narr,« sagte ich zu mir selber, »was machst du, daß du nicht auch so einen Kram aufrichtest bist du so lang bei Monsigneur Canard gewesen und hast nicht so viel gelernet, einen einfältigen Bauer zu betrügen und dein Maulfutter davon zu gewinnen, so mußt du wohl ein elender Tropf sein.«

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 27-29.
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