Das XV. Kapitel.

Wie heroisch sich Springinsfeld in der Schlacht vor Nördlingen gehalten.

[173] »Zu unserer Hinkunft zu unserem Regiment wurden wir wieder beritten gemacht und mondiert, der Wallensteiner aber zu Eger umgebracht, weil er, wie man sagte, mit der ganzen Armada zum Gegenteil übergehen, das Erzhaus Österreich vertilgen und sich selbst zum König in Böhmen machen wollen. Hierdurch wurde zwar dies hochlöbliche erzfürstliche Haus errettet, aber zugleich auch das kaiserliche Kriegsheer (dessen Obriste zum Teil um der verfluchten Wallensteinischen Zusammenverschwerung halber vor verdächtig gehalten werden wollten), zum Gebrauch vor untüchtig geschätzt, weil man ihre Treu zuvor probieren mußte; und ebendeswegen mußten wir auf ein neues dem Kaiser wiederum schwören. Aber dieser Verzug verursachte, daß es liederlich um den kaiserlichen Krieg anfieng zu stehen, maßen die schwedische Generalen da und dort mit Einnehmung unterschiedlicher Städte gewaltig um sich griffen, bis endlich der unüberwündlichste dritte Ferdinand, damaliger Ungar- und böhaimischer König, die Waffen selbst ergriffen. Dieser mustert uns und führte uns bei 60000 stark samt einer unvergleichlichen Artigleria in Bayern vor Regenspurg, welche Stadt ich hiebevor, nachdem ich mich von der Courasche scheiden lassen müssen, mit List einnehmen helfen, von dannen ich mit meinem General, dem Altringer, und Joan de Werdt denen Schwedischen unter Gustav Horn entgegenkommandiert worden, da es dann sonderlich zu Landshut auf der Brücke ziemlich heiß hergienge, allwo mir nicht allein mein Pferd unterm Leib, sondern auch (an welchem ein mehrers gelegen) besagter unser rechtschaffene General von Altringen totgeschossen wurde.

Nachdem nun Regenspurg und Donawerth an uns übergangen und sich der Hispanische Ferdinandus Kardinalinfant mit uns völlig konjungiert, zogen wir auf das Ries und belägerten Nördlingen. Damals war ich ein unberittener und auch sonst[173] (weil ich die Winterquartier schlecht genossen, eine Krankheit ausgestanden und lang nichts Beuthaftigs erschnappt hatte) Vermögens halber ein fast armer Schelm, so gar, daß man meiner auch nicht achtete, noch mich irgendhin kommandierte, als die Schweden kamen, die belägerte Stadt zu entsetzen. Indem es aber hierüber zu einem fast blutigen Treffen geriete, gedachte ich auch, eine Beut zu holen oder das Leben darüber zu verlieren, dann ich wollte viel lieber tot als ein solcher Bärnhäuter sein, der nur dastehet und zusiehet, wie tapfer an dere ehrliche und wohlmondierte Soldaten sich um den Barchet jagen, und demnach mirs gleich golte, ob Kaiser oder Schwed siegen würde, wann ich nur mein Teil auch darvon kriegte, siehe, so mischte ich mich ganz ohne Waffen ins Gedräng, als die Viktori noch in der Wag stunde und der meiste Teil der Kriegsheer mit Rauch und Staub bedeckt war. Gleich hierauf kehrte die schwedische Reuterei der Battalia den Rucken, weil sie sahen, daß ihr Sach allerdings verloren. Nachdem sie aber vom Lothringer, Joan de Werdt, den Ungern und Kroaten wieder zurückgejagt wurden über eben denjenigen Ort, da ich mich befande, des Willens, in Eil die da und dort liegende Tode zu besuchen und zu plündern, wurd ich gezwungen niederzufallen und mich denjenigen gleichzustellen, die ich zu berauben im Sinn hatte. Das tät ich etlichmal, bis beiderseits einander jagende Truppen den Ort passiert, quittiert und den Toten und noch halb Lebenden, deren sie abermal daselbst ziemlich sitzen ließen, allein überlassen.

Ich hatte mich kaum wieder aufgerichtet, als mir ein ansehenlicher wohlmondierter Offizier (der dort lag, sein Pferd beim Zaum hielte und den einen Schenkel entzweigeschossen, den andern aber noch im Stegreif stecken hatte) mir um Hülf zuschriee, weil er ihm selbst nicht helfen künnte: ›Ach Bruder!‹ sagte er, ›hilf, mir!‹ – ›Ja,‹ gedachte ich, ›jetzt bin ich dein Bruder, abet vor einer Viertelstund hättest du mich nicht gewürdigt, nur ein einziges Wort mir zuzusprechen, du hättest mich dann etwan einen Hund genannt.‹ Ich fragte: ›Was Volks?‹ Er antwort: ›Gut schwedisch!‹ Darauf erwischte ich das Pferd beim Zaum und mit der andern Hand eine Pistole von seinem eignen Gewöhr und endet damit den wenigen Rest des bittenden Lebens; und dies ist die Würkung des verfluchten Geschützes, daß nämlich ein geringer Bärnhäuter dem allertapfersten Helden, nach dem er zuvor vielleicht auch durch einen liederlichen Stallratzen ungefähr beschädigt worden, das Leben nehmen kann. Ich fande Goldstücker bei ihm, die ich nicht kannte, weil ich von dergleichen[174] Größe meine Tag noch niemalen gesehen; sein Wehrgehenk war mit Gold und Silber gestickt, das Degengefäß von Silber gemacht und sein Hengst ein solches unvergleichliches Soldatenpferd, dergleichen ich meine Tage niemalen überschritten. Solches alles nahm ich zu mir, und nachdem ich Gefahr merkte, also daß ich nit länger Mist bei ihm zu machen oder ihn gar auszuziehen getraute, setzte ich mich aufs Pferd; und da ich die eroberte Pistolen wieder lude, dann die Pistolenhalftern oder Büchsenscheiden, wie sie die Bauren nennen, waren nach damaligem Gebrauch genugsam mit Patronen versehen, mußte ich gleichwohl bei mir selbst erseufzen und gedenken, wann der unüberwündliche starke Herkules jetziger Zeit selbst noch lebte, so könnte er solchergestalt so wohl als dieser brave Offizier auch von dem allergeringsten Roßbuben erlegt werden.

Ich rennete im vollem Galopp hinder die Unserige und fand, daß sie sonst nichts mehr zu tun hatten, als todzuschlagen, gefangenzunehmen und Beuten zu machen, welches lauter Zeichen der erhaltenen Viktori waren. Ich machte mir anderer gehabte Mühe zunutz und stund zu den Siegern in ihr Arbeit, da es mir zwar sonderlich nit glückte, ohne daß ich blößlich noch so viel erschnappte, daß ich mich daraus kleiden konnte. Dergleichen geringes Glück hatten auch die übrige Kerl von meinem ganzen Regiment, doch einer mehr als der ander, ohnangesehen sie tapfer gefochten hatten.«

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 173-175.
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