Das XXI. Kapitel.

Springinsfeld verheuratet sich, gibt einen Wirt ab, welches Handwerk er mißbraucht, wird wieder ein Witwer und nimmt sein ehrlichen Abschied hinter der Tür.

[190] »Ich war damals ein Mann von ungefähr 50 Jahren und traf zu bemeltem Regensburg eine verwittibte Leutenantin an, die war nit viel jünger, hatte auch nicht viel weniger Geld als ich; und weil wir einander öfters bei der Armee gesehen, machten wir desto ehender Kundschaft miteinander. Sie merkte Geld hinter mir, und ich hinter ihr auch; und dannenhero fieng[190] gleich eins das ander an zu vexieren, ob es nicht mit uns beiden ein Paar geben könnte, sagten auch beiderseits, wers nicht glauben wollte, der möchte es zählen. Sie war in dem Land zu Haus, darinnen man allerhand Religionen passieren läßt, und solches war vor mich, weil ich noch keiner zugetan; sintemal ich alsdann die Wahl haben konnte, unter so vielen eine anzunehmen, die mir am besten gefiele. Sie konnte von ihren Reichtumen zu Haus nicht genug aufschneiden, viel weniger genug beklagen, daß sie in ihrer Jugend gleich im Anfang des Kriegs von ihrem Manne seligen von denselbigen hinweggeraubet und bei Einnehmung ihres Heimats zu seinem Weib wider ihren Willen gemacht worden wäre, worbei man unschwer abnehmen kann, daß sie nicht mehr jung gewesen, weil sie sowohl als ich die erste Einnehmung der Festung Frankenthal gedachte. Was darfs aber vieler Umstände? Wir machtens gar kurz miteinander und tratten nicht allein mit der Heuratsabred, sondern auch mit der Kopulation geschwind zusammen. Beiderseits Zubringens halber ward unter andern auch dies abgehandelt und verschrieben, daß ich, wann sie vor mir absterben sollte ohne Leibserben, darzu bei ihr dann ohne das keine Hoffnung mehr war, alsdann die Tage meines Lebens den Sitz und Genuß auf ihrem Gut haben, ihren Sohn aber, den sie von ihrem ersten Mann hatte, ehrlich aussteuren sollte; 100 Gulden behielte ich mir vor, dieselbe hin zu vermachen und zu verschenken, wohin ich wollte. Als nun diese Glock dergestalt gegossen, eileten wir in ihr Vatterland, allwo ich zwar ein wohlgelegen steinern Wirtshaus fande wie ein Schloß, aber darin weder Öfen, Türen, Läden noch Fenster, also daß ich beinahe so viel zu bauen hatte, als wann ichs von neuem hätte angefangen. Das überstunde ich mit feiner Gedult und wendet mein Geltchen und was mein Weibchen hatt, getreulich an, so daß ich vor einen braven Wirt in einem braven Wirtshause gehalten werden konnte; und mein Weib konnte auch den Judenspieß so wohl führen, als ein sechzigjäriger Burger von Jerusalem hätte tun mögen, also daß unser Säckel, ohnangesehen der schweren Ausgaben (dann ich mußte auch Friedengeld geben, da ich doch viel lieber noch länger Krieg haben mögen) nicht leichter, sondern viel schwerer wurde, vornehmlich darum, weil es damals viel reisende Leut gab beides, von Handelsleuten, Exulanten und abgedankten Soldaten, die ihr Vatterland wieder suchten, welchen allen mein Weib gar ordentlich zu schröpfen wußte, weil ihr Haus hierzu sehr gelegen war.

Hier beneben schachert ich auch mit Pferden, welcher Handel[191] mir trefflich wohl zuschlug; und gleichwie mein Weib ein lebendiges Erzmuster eines Geizwansts war, also gewöhnte sie mich auch nach und nach, daß ich ihr nachöhmte und alle meine Sinne und Gedanken anlegte, wie ich Geld und Gut zusammenscharren möchte; ich wäre auch zeitlich zu einem reichen Mann worden, wann mich das Unglück nicht anderwärtlicher Weise geritten.

Es werden gemeiniglich diejenige, so prosperiern, von andern Leuten beneidet und angefeindet, und das um so viel desto mehr, je mehr bei denen, so reich werden, der Geiz verspürt wird; dahingegen die Freigebigkeit bei männiglich Gunst erwirbt, vornehmlich wann sie mit der Demut begleitet wird. Solchen Neid verspüret ich nicht ehender, als bis seine Würkung ausbrach; dann gleich wie meine Nachbarn sahen, daß meine Reichtum zusehens grüneten und aufwuchsen, also fienge ein jeder an nachzusinnen, durch welchen Weg mir doch solche so häufig zufallen möchten, sogar daß auch etliche entblödeten zu gedenken, ich und mein Weib könnten hexen; und also gab ein jeder ohne Wissen auf mein Tun und Lassen heimlich genaue Achtung. Unter andern war ein Erzfunk an demselbigen Ort, dem ich ehemalen ein schön groß Stück wohlgelegener und fast lustiger Wiesen abpraktiziert, das er mir nicht gönnete, wiewohl ichs ihm ehrlich bezahlet hatte. Derselbe beriete sich mit einem Holländer und einem Schweizer, dann es wohneten allerlei Nationen an selbigem Ort, wie sie mir doch hinter die Quelle meiner Reichtum kommen und mir eins anmachen möchten; und hierauf waren sie desto geflissener, weil bereits etliche deren Landsleute darauf gewohnet hatten und verdorben waren, als welche sich nicht in dieselbe Landesart schicken konnten. Einesmals kamen mir zween Wägen voller Wein, der durch die Umgelter gleich angeschnitten und in Keller geleget wurde, eben als ich den folgenden Tag eine ansehenliche Hochzeit traktieren sollte. Weil nun gedachte meine drei Neider mir zugetraueten, ich könnte aus Wasser Wein machen, schütteten sie mir noch denselben Abend etwas von geschnittenem Stroh, das man den Pferden unter den Habern zu füttern pflegt, in meinen Brunnen, und als sich dasselbige den andern Tag auch in dem Wein fande, siehe, da war mir die Hand im Sack erwischt. Man visitierte alle Faß und fande mehr Wein, als ich eingelegt hatte, und in jedwedem Faß etwas von dem Häckerling; und ob ich gleich schwören konnte, daß ich von dieser Mixtur nichts gewußt, dann mein Weib und ihr Sohn waren ohne mich vor diesmal so endelich gewest, so half es doch nichts, sondern der[192] Wein ward mir genommen und ich noch darzu um 1000 fl. gestraft, welches meinem Weibchen dermaßen zu Herzen gieng, daß sie vor Scham und Bekümmernus darüber erkrankte und den Weg aller Welt gieng. Es wäre mir auch die Wirtschaft ferners zu treiben gar niedergelegt worden, wann desselbigen Orts ein andere solche ansehenliche Gelegenheit vorhanden gewesen wäre, die sich zu einer Wirtschaft geschickt hätte.

Nach dieser Geschichte wurde ich allererst gewahr, was vor Freunde und was Feinde ich bisher gehabt. Ich wurde so veracht, daß kein ehrlicher Mann etwas mehr mit mir zu schaffen wollte haben; niemand grüßte mich mehr, und wann ich jemand einen guten Tag wünschte, so wurde mir nicht gedankt; ich kriegte schier keine Gäste mehr, ausgenommen wann etwan irgends ein Fremdling verirret oder ein solcher noch nichts von meiner Kunst gehöret hatte. Solches alles war mir schwer zu ertragen, und weil ich ohnedas auch eine Kurzweil mit zweien Mägden angestellt hatte, welches in Bälde seinen Ausbruch mit Händen und Füßen nehmen würde, so packte ich von Geld und Geldswert zusammen, was sich packen ließe, setzte mich auf mein bestes Pferd; und als ich vorgeben, ich hätte meiner Gewohnheit nach Geschäfte zu Frankfort zu verrichten, nahm ich meinen Weg auf die rechte Hand der Donau zu, dem Grafen von Serin, der damal fast die ganze Welt mit dem Ruf seiner Tapferkeit erfüllet, wider den Türken zu dienen.«

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 190-193.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der seltzame Springinsfeld
Der seltzame Springinsfeld