Das XXV. Kapitel.

Was und wie Springinsfeld in Kandia kriegt, auch wie er wieder in Teutschland kam.

[203] »Also nahmen wir, die wir unser Leben verkauft hatten und dannoch zu Erhaltung desselbigen ritterlich zu fechten gedachten, unsern Weg über den Zirlberg auf Innsbruck, folgends über den Brenner auf Trient und dann ferners nach Treviso, allwo wir alle ganz neu gekleidet und von dannen vollends nach Venedig geschickt, daselbst armiert und, nachdem wir ein paar Tag ausgeruhet, zu Schiff gebracht, nach Kandia geführet[203] wurden, in welchem elenden Anblick wir auch glücklich anlangten. Man ließe uns nicht lang feiren oder viel Schimmel unter den Füßen wachsen; dann gleich den andern Tag fielen wir aus und wiesen, was wir konnten oder vermochten, unseren armseligen Steinhaufen beschützen zu helfen. Und dasselbe erstemal glückte es mir selbsten so wohl, daß ich drei Türken mit meiner halben Pike spießte, welches mich so leicht und gering ankame, daß ich mir noch bis auf diese Stund einbilden muß, die arme Schelmen seien alle drei krank gewesen; aber Beute zu machen war ferne von mir, weil wir sich gleich wieder heimretirieren mußten. Den andern Tag gieng es noch töller her, und ich brachte auch zween Männer mehr als den vorigen um, doch solche Tropfen, von welchen ich nicht glaubte, daß sie alle fünfe ein einzige Dukat vermöcht haben; dann mich dunkte, sie seien solche Gesellen gewesen, dergleichen es oft bei uns auch geben hat, die nämlich mit Darsetzung ihres Lebens die, so Taler hatten, beschützen, bewachen und noch darzu mit ihren arbeitsamen Händen und ritterlichen Fäusten die Ehre der erhaltenen Überwindung erobern und ihnen noch drüberhin beides, die Ehre, die Beut und die Belohnung, darvon überlassen mußten; dann mir wurden niemal kein Beg oder Beglerbeg, viel weniger gar ein Bassa unter denjenigen zu sehen, die vorhanden waren, ihr Blut an das christliche zu setzen. Doch mag wohl sein, daß der Antreiber hinder den Truppen von solchem Stoff mehr gewesen seien als der Anführer vornen an der Spitzen.

Solche Art zu kriegen machte mich unwillig und verursachte, daß ich mitten in Kandia der Schweden erkanntliche Manier loben mußte, die ihre ohnedle Soldaten (sie wären gleich fremder oder heimischer Nation gewesen) höcher als ihre edle und doch ohnkriegbare Landsleut ästimiert, wannenhero sie dann auch so großes Glück gehabt haben. Doch ließe ich mich ein als den andern Weg zu allem demjenigen gebrauchen, was einem redlichen Soldaten zustehet. Ich folgte auf der Erden wie ein ehrlicher Landsknecht, und unter derselbigen beflisse ich mich auch, die Künste der Maulwürfe zu übertreffen, und erwarbe doch nichts anders darmit, als bisweilen eine geringe Verehrung; und als kaum der zehende Mann von denen mehr lebte, die mit mir aus Teutschland kommen waren, wurde der elende Springinsfeld über den noch elenderen Rest seiner kranken Kameraten zu einen Sergiant gemacht; gleichsam als wann sein abgematter Leib und ächzender Geist hierdurch wieder in die vorige Kräfte und Courage hätte gesetzt werden können.

Hierdurch nun bekame ich Ursach, mich noch besser abzumerglen;[204] ich half die noch wenig übrige Roß fressen und verrichtet hingegen selbst größere als Roßarbeit. Indem mich nun in solchem Zustand kein feindlicher Musketenschuß fällen oder ein tirckischer Säbel verwunden konnte, siehe, so schlug mir ein Stein aus einer springenden Minen so unbarmherzig an meinen einen Fuß, daß mir das Gebein in den Waden wie Sägmehl darvon zermalmet wurde und man mir den Schenkel alsobalden bis über das Knie hinwegnehmen mußte. Aber dies Unglück kam nicht allein, dann als ich dort lag als ein soldatischer Patient, mich an meinem Schaden kuriern zu lassen, bekam ich noch darzu die rote Ruhr mit einem großen Hauptwehe, worvon mir der Kopf ebensosehr mit Fabeln als mein Liegerstatt mit Unlust erfüllt wurde.

Nichts gesünder war mir damals, als daß mir Hohe und Niedere Zeugnus gaben, ich wäre ein Ausbund von einem guten Soldaten gewesen; dann auf solches Lob wurden auch andere Medikamenten nicht gesparet, wiewohl die Venezianer ihre Soldaten so wohl als ihre Besem pflegen hinzuwerfen, wann sie solche ausgebraucht haben. Aber ich genosse auch anderer ehrlicher Kerl, die noch lebten und das ihrige täten, damit sie kein Exempel hätten, das sie träg und verdrossen machen möchte. Als nun solche auch so dünn wurden, daß wir auf die letzte kaum einen oder zween, die ihr völlige Gesundheit entweder bishero erhalten oder doch wieder erholet hatten, auf die Posten tun konnten, siehe, da wurde es unversehens Friede, als wir beinahe in letzten Zügen lagen. Nach unserer Abführung und nachdem ich viel Ungelegenheit auf dem Meer ausgestanden, langeten wir endlich zu Venedig wieder an. Viel von uns, und unter denselben ich auch, die da verhofft hatten, dorten mit Lorbeerkränzen bekrönet und mit Gold überschüttet zu werden, wurden in das Lazarett daselbst logiert, allwo ich mich behelfen mußte, bis ich gleichwohl wieder heil wurde und auf meinem hölzernen Bein herumerstelzen konnte.

Folgends bekam ich meinen ehrlichen Abschied und etwas weniges an Geld; dann ich wurde nicht so wohl bezahlt, als wann ich den redlichen Holländern in Ostindia gedienet gehabt hätte. Hingegen wurde mir zugelassen, daß ich von ehrlichen Leuten eine Steur zur Wegzehrung bettlen dorfte, und dergestalt kompletieret ich die Zahl meiner Dukaten, die ich noch habe, weil mir mancher Signor und manche andächtige Matron vor den Kirchen ziemlich reichlich mitteilten. Ich bedorfte vor keinen Soldaten aus Kandia zu betteln, dann man kannte uns ohnedas, sintemal wir fast alle, was übrigverblieben von uns,[205] unsere Haare verloren hatten, sehr mager und ausgehungert und so schwarz aussahen wie die allerschwärzte Zigeiner. Weilen mir dann nun das Betteln so wohl zuschlug, trieb ichs fort, bis ich von Venedig wieder in Teutschland ankam, der Hoffnung, mein Weib wiederum anzutreffen und sie damit zu erfreuen, daß ich das Handwerk so wohl gelernet und auch einen guten Werkzeug darzu, nämlich meinen Stelzfuß, mitbrächte; dann ich gedachte: Dies Ding kann ihr nicht übel gefallen, weil sie selbst aus dem vornehmsten Stammen der Erzbettler entsprossen.«

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 203-206.
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