28.
Dominus de me cogitat

[80] In meiner Ersten blütt. Im früling zarter tage

Hat mich der grimme Todt verwaiset/ vnd die Nacht

Der Trawrigkeit vmbhüllt/ mich hat die herbe macht

Der Seuchen außgezehrt. Ich schmacht in spätter plage.

Ich theilte meine zeit/ in Seuffzer/ Noth vnd klage/

Die mittel/ die ich offt für feste Pfeiler acht/

Die haben (leider!) all erzittert vnd gekracht

Ich trage nur allein den jammer den ich trage.

Doch nein! der trewe GOTT heut mir noch aug vñ hand

Sein Hertz ist gegen mir mit Vatertrew' entbrand/

Er ists/ der jederzeit vor mich/ sein Kind muß sorgen.

Wenn man kein Mittel find/ siht man sein wunderwerck

Wenn vnsre krafft vergeht/ beweißt er seine stärck

Man schaw't jhn/ wenn man meynt/ Er habe sich verborgen.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 80.
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