19.
Auff den Sontag deß zu dem Tode gehenden Erlösers/ oder Quinquagesimæ. Luc. 18.

[197] O Lieb' ohn Maß! O Gunst der nirgends was zu gleichen/

Die Gott in Tod: ins Creutz aus seinem Throne trägt!

Daß sich der Lebens Fürst selbst in die Schantze schlägt

Verstehet kein Verstand. Kein sinnen wirds erreichen/

Ach/ sol das zarte Fleisch in Schmach vnd Geisselstreichen.

In schwerer Sünden Last/ die meine Schuld aufflegt

In dem entbrandten Grimm/ den Gottes Fluch erreg't

Vnd Mosis Satzung sterckt verschmachten vnd erbleichen?

Wie/ daß ich doch mein Herr so blind dein Leiden flih'

Wie/ daß ich nicht mit dir eylfertig dahin zih?

Wo du durch Angst vnd Creutz wirst in den Himmel gehen/

O Jesu Davids Sohn/ O Licht erbarm dich mein

Steh still vnd schau mich an/ denn werd ich sehend seyn

Vnd deine Bruder Treu' vnd Liebe recht verstehen!

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 197.
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