46.
Auff den Sontag deß Rechnung-fordernden Hauß-Vaters/ oder VIIII. Sontag nach dem Fest der H. Dreyeinigkeit. Luc. 16.

[212] Herr! aller Herren höchster Gott/ wo werd ich armer vor dir bleiben!

Ich dein durchauß vnnützer Knecht: Mein Hertz erzittert Tag vnd Nacht.

Weil mir das ernste Donnerwort durch Ohr vnd Muth/ vnd Geister kracht.

Thu Rechnung Mensch/ von Leib vnd Geist/ von reden/ lesen/ thun vnd schreiben.

Wen solte nicht dein harter Spruch in deß verzweifelns Abgrund treiben!

Doch wann du/ der in Knechts gestalt vollkommen hat sein Ampt vollbracht

Mir dein Genung-thun selbst anbeutst/ wird/ wenn der heisse Zorn erwacht

Sich der so scharffen Kläger Schaar vmbsonst an diese Seele reiben.

War ists/ daß ich deß Höchsten Gutt gar vnbedachtsam hier verschwend't

Doch schau' ich Licht in dieser Nacht/ das alle trübe Wolcken trenn't.

Wenn dein Genungthun/ was mir fehlt/ Mein süsser Jesu wil ersetzen.

Gib vnter dessen/ gib/ daß ich dein Gutt so anwend' in der Welt/[212]

Daß/ wenn der abgelebte Leib hier nicht mehr Haus auff Erden hält

Der Geist sich für vnd für bey dir in ew'ger Hütten mög ergetzen!

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 212-213.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sonette
Frühe Sonette (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)