56.
Auff den Sontag deß Sünden vergebenden Trösters/ oder XIX. Sontag nach dem Fest der H. Dreyeinigkeit. Matth. 9.

[217] Dvnckts iemand frembde/ daß ich in der Angst verschwinde?

Daß teurer Mittel-fleiß/ vnd werther Kräuter Macht/

Daß weiser Aertzte Kunst mir noch nicht wieder bracht

Was Sucht vnd Angst verzehrt? die grimme Pein die Sünde/[217]

Greifft mich von innen an. Mein Heiland ich befinde

Daß alles nur umbsonst nach dem ein Krancker tracht

Weil diese Gifft noch wehr't. Kom' eh' ich gantz verschmacht

O Sünden tilger komm/ komm eilendts vnd entbinde

Mein fest verstricktes Hertz/ das so voll Boßheit steckt/

Da rohe Sicherheit/ Seuch über Seuchen heckt.

Sprich: Sey getrost mein Kind! Ich habe dir vergeben

Wormit du mich erzürnt: Ich habe deine Noth

Gewendet: ja dein Creutz geendet; vnd den Tod

Verschlungen/ daß du magst vnendlich für mir leben.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 217-218.
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