17.
Uber die Heimsuchung Mariä

[102] Kind! nicht gebohren Kind/ doch schon der Welt Verlangen!

Kind das noch eh als Mensch der Menschen Tröster heist/

Das dieses Kind besucht/ das voll von Flamm und Geist/

Dich in der Mutter Leib mit Hüpffen hat empfangen!

Schau Kind/ schau Freuden-Kind/ wie mit bethränten Wangen

Ich in der Wehmuth schwimm/ in Wehmuth die mich beist/

In Wehmuth/ die mein Hertz umschlossen hält/ und reist.

Daß ich offt wünsch' ich wär in Mutterleib vergangen.

O komm doch süsses Kind/ du kanst mich frölich machen!

Komm/ komm/ mein Geist wird dir mit Lust entgegen gehn/

Und ob er liegt/ durch dich in lauter Wonn auffstehn!

Gleich wie Elisabeth fühlt ihre Frucht auffwachen/

Wen du besuchst/ fühlt/ ob er schon nicht sieht/

Dich Lebens-Krafft/ durch die das Leben blüht.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 102-103.
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