22.
Uber seinen Geburts-Tag

[105] Die edle Sonn' ersucht nunmehr Astræens Schalen/

Und theilt die Stunden gleich dem Tag aus und der Nacht/

Sie bringt mir diese Zeit/ die mich ans Licht gebracht/

Als sie den neundten Theil erreicht mit goldnen Strahlen.

O ewiglichte- Sonn! die du die Himmel mahlen/

Die Erden schmincken kanst; die meine Seel anlacht/

Die da ich tod in Schuld mich gnädigst lebend macht/

Wie werd ich deine Huld/ und mit was Danck bezahlen!

Hilff daß ich meine Zeit genau und wol abtheil/

Gerechtigkeit Ach hilff! Hilff daß ich nimmer feil/

Und leben mag an dir wann du wirst Urtheil hegen.

In dessen gib daß ich das Pfand so mir vertraut

Zu deiner Ehr und Nutz/ der die auf dich erbaut/

Mög embsig weil ich hier auf Erden leb'/ anlegen.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 105.
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