26.
Andencken eines auf der See ausgestandenen gefährlichen Sturms

[107] O Gott! was rauhe Noth/ wie schaumt die schwartze See

Und sprützt ihr grünes Saltz/ wie reist der Zorn die Wellen

Durch Nebel volle Lufft wie heult das wüste Bellen

Der tollen Stürm uns an. Die Klippe kracht von Weh/

Wir fliegen durch die Nacht und stürtzen von der Höh

In den getrennten Grund die offten Stösse fällen

Den halb-zuknickten Mast/ die schwache Seiten prellen

Auf die gespitzte Klipp O Himmel ich vergeh!

Der dicke Querbaum bricht und schlägt den Umgang ein.

Das Seegel flattert fort/ der Schiffer steht allein

Und kan noch Boß-Mann mehr/ noch Seil/ noch Ruder zwingen/

Wir missen Glaß/ Compaß/ und Tag/ und Stern/ und Nacht/

Todt war ich vor dem Todt. Doch Herr du hasts gemacht

Daß ich dir lebend und errettet Lob kan singen.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 107.
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