43.
Auf das Absterben eines Adelichen Kindes an die betrübte Frau Mutter

[116] Bißher dem Vaterland/ hochwehrte Frau/ gebohren!

Bißher Eur Ehgemahl mit keuscher Frucht ergötzt!

Bißher der Häuser Fall durch beyde Sohn ersetzt!

Nun hat der Himmel auch zur Mutter euch erkohren.

Man hält diß Kind vor todt/ man spricht es sey verlohren:

Ach nein! was auf der Welt die Sünde nicht verletzt/

Kan ja nicht sterblich seyn: der Herr nimmt was er schätzt/

Stracks hin/ wo Leben sich und Ewigkeit verschworen.

Denckt welch ein rauher Schmertz eur bebend Hertz umfieng/

Als dieses Liebe-Pfand gleich einer Sonn auffgieng/

Und küßt euch naß vor Angst und Furcht und Liebes-Zähren.

Jtzt griff der fünffte Tag euch an mit rauhem Weh/

Weil aus dem Thränen-Thal diß Kind drang in die Höh:

Gedult! könt ohne Schmertz auch wol ein Weib gebähren?

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 116.
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