Scena II.


[10] Sulpicius auff dem Bette. Fabricius. Flavia.


FABRICIUS.

Mein Herr! ich bringe Post / die Flavia ist hir.

SULPICIUS.

Der Chloris Dinerin? Wer schickt sie doch zu mir?

FABRICIUS.

Er kan den rechten Grund aus ihrem Mund anhören.

SULPICIUS.

Geh / eilends / laß sie ein / was ko it sie mich zu lehren?

Bringt Flavia mir nichts zu stillung meiner Pein?

FLAVIA.

Mein Herr es möcht allhir / ja was noch vor ihn seyn.

Cornelia die hoch ob seiner Angst betrübet;

Versichert daß ein Hertz / das allzu trew ihn libet /

Jn heisser Glutt verschmacht / weil ihn der Schmertz verletzt /

Vnd jhren Leib durch ihn auff seine Bahre setzt.

Er rette sie und sich / ihr beyder Heil und Hoffen

Befestet diser Tag / wo seine Seel ihr offen.

Er nehme von ihr an den Brieff der Libe Pfand.

SULPICIUS.

Von Chloris aber nichts.

FLAVIA.

Diß Werckstück jhrer Hand

Die Indianschen Frücht' in Zucker eingeleget.

SULPICIUS.

Vnd von ihr gar kein Wort?

FLAVIA.

Sie / die der Mutter pfleget

Stets an die Hand zu gehn; thät was man ihr befahl.

SULPICIUS.

O Mutter sonder Lib!

FLAVIA.

O Tochter voll von Qval!

FABRICIUS.

Libhaber sonder Rath / weil man zu sehr jhn libet!

SULPICIUS.

O Briff! der meinen Geist biß auff den Tod betrübet!


Cornelien Brieff.


Jch klage / werther Freund / daß ich unwürdig sey

Die Hitze die ihn brennt / mit meinem Blutt zu dämpffen.

Er fühlt vor Schmertzen nicht / wie Schmertzen mich bekämpffen.

Nur einig umb daß ich von seinem Leiden frey.

Er nehme denn mein Hertz / daß es vor seines sterbe /

(Wie es zu sterben wüntscht /) und seines schick er mir /

Damit es ja der Tod des Lebens nicht enterbe.

Ja ist es bey ihm tod / so leb es doch allhir.

Meine Chloris sendet Frücht.

Bessers können Kinder nicht.

FABRICIUS.

Diß Kind / die Chloris, weiß mehr denn die Mutter wil.[11]

FLAVIA.

Nein warlich! Chloris sucht bey ihm kein Kinder-Spil.

SULPICIUS.

Verzeuch / ich wil geschwind zwey Zeideln Antwort schreiben.

FABRICIUS.

Ko i / ko i / wir wollen schon die Zeit allhir vertreiben:

FLAVIA.

Was geben wir wol an / das gut vor mich und dich.

FABRICIUS.

Weil es die Zeit erlaubt so frage: Wilst du mich!

FLAVIA.

Diß Jahr geschiht noch nichts! der Weitz ist nicht gesäet

Zu unserm Hochzeit-Brot.

FABRICIUS.

Ob du mich schon verschmähet:

Weiß ich doch manche wol / die Finger nach mir leckt.

FLAVIA.

Sie hätte sie gewiß in Honig eingesteckt.

FABRICIUS.

Jn Honig / oder was das man vor Zucker schätzet.

Was meynst du! hat mein Herr nicht neulich außgesetzet /

Vor meine treue Dinst (dafern er sterben solt)

Zwo Wiesen / einen Hoff / Sechs Hundert Stücke Gold

Vnd mehr noch als ich dir so eilends kan erzehlen.

FLAVIA.

Du zehlst zu vil in eil!

FABRICIUS.

Es kan kein Haar dran fehlen.

FLAVIA.

Hat Chloris nicht vor mich noch dreymal mehr bereit?

FABRICIUS.

Die stirbt noch lange nicht.

FLAVIA.

Hat doch dein Herr noch Zeit.

FABRICIUS.

Jch wolt / umb Chloris auch / nicht rathen daß er stürbe.

FLAVIA.

Noch ich / daß Chloris schon zu deinem Nutz vertürbe.

FABRICIUS.

Du bist nur gar zu klug. Wol! weil ich dir nicht taug:

So nimm Cassandern hin / er hat ein einig Aug /

Drey Mäuler / eine Stirn / zwei Knie und funffzehn Finger.

FLAVIA.

Cassander ist bey mir noch zwantzig mal geringer /

Als du.

FABRICIUS.

Ey zürne nicht. Genung! mein Herr der winckt.

SULPICIUS.

Nihm hin! ob schon mein Leib ins kalte Grab versinckt /

Vmb daß ich gar zu trew die mein nicht acht geliebet /

Vnd die nicht liben kan die mir das Hertze gibet:

So wisse Chloris doch daß ich der jhre bleib.

Den Demand schenck ich dir!

FLAVIA.

Mein Herr! bey meinem Leib!

Jch darff dergleichen Gunst von niemands Hand annehmen.[12]

FABRICIUS.

Mein Herr! er dringe nicht! sie wird sich schon beqvemen.

FLAVIA.

Mein Herr! umb darzuthun daß ich die seine sey

Vnd ihm zu dinste steh; so schreib er Chloris frey.

Jch wil was er mir traut jhr unvermerckt zubringen.

FABRICIUS.

Jch dacht es daß sie würd' auff dieses wincken singen.

SULPICIUS.

Gib / wenn du Antwort hast / dich heimlich bey mir an.

FLAVIA.

Ja noch vor diser Nacht / wo ich nur sicher kan.


Sulpicius. Fabricius.


Daß Chloris gar nichts solt in diesen Früchten senden

Ko it mir nicht gläublich vor soll von so lieben Händen

Jch keinen Gruß mehr sehn! ko i last uns was sie schenckt

Durchsuchen! wahre Gunst / die keinen Zwang bedenckt /

Die kein gebieten pocht / weiß Mittel zu ersinnen

Wenn auff der grossen Welt kein Mittel zu gewinnen.

FABRICIUS.

Hir find ich ein Papir in Cinament versteckt.

SULPICIUS.

Papir! O das mein Hertz aus Nacht und Grufft erweckt!

Papir das Chloris hat; flist libe Thränen flisset!

Gemahlt mit treuer Faust / und schönem Mund geküsset!

Gezihrt mit reiner Seid / gedruckt an keusche Brust.

Dem mein Verhängnüß / Glück und Heil und Noth bewust!

Wie wol hat dich die Faust / die / was halb tod erqvicket /

Jn theure Specerey verwickelt / mir geschicket!

FABRICIUS.

Wie so bestürtzt mein Herr! sinds Freuden? ist es Leid?

SULPICIUS.

O Arglist über List! O Eifer-sicher Neid!

FABRICIUS.

Das lautet frembd und bund.

SULPICIUS.

Noch frembder ist diß Schreiben!

Hilff Himmel! hilff! man sucht!

FABRICIUS.

Wen.

SULPICIUS.

Mich.

FABRICIUS.

Wie?

SULPICIUS.

Zu entleiben.

FABRICIUS.

Was sagt mein Herr! ists Traum! ists Spil! ists Schertz! ists Wahn?

SULPICIUS.

Cornelie? was hab ich dir je Leids gethan?

FABRICIUS.

Genung! wo nicht erlaubt zu hassen / was uns libet!

SULPICIUS.

Jst diß was Flavie mich zu erquicken gibet?


[13] Der Chloris Brieff.


Jch schreibe (doch verdeckt!) mein Hertz die Mutter heist:

Daß ich ihm übersend was mein bestürtzter Geist

Zu schicken sich beschweret!

Das Zuckerwerck gewehret /

Durch mich nicht schuldige / die sein Gemüte sucht /

Zu zihn in ihre Gunst / durch falsch geschminckte Frucht.

FABRICIUS.

Diß ist ein frembder Fall!

SULPICIUS.

Wer klopfft?

FABRICIUS.

der mit dem Geist /

Vnd Hertzen stets verpflicht ihm seine Trew erweist.


Levin. Sulpicius. Fabricius.


SULPICIUS.

Willkommen libster Freund! mehr den gewüntscht willkommen?

LEVIN.

Wie / hat der siche Schmertz so wenig abgenommen?

SULPICIUS.

Der Glider Schmertz ni it ab / die Hertzens-Wunde zu.

LEVIN.

Ein schmachtend Hertze wüntscht zu Heil der Wunden ruh.

SULPICIUS.

Man sucht auffs new den Geist unglaublich zu bestürmen.

LEVIN.

Jch wil den Geist mit Rath und Beystand noch beschirmen.

SULPICIUS.

Schaw was Cornelie mir vor Geschencke schickt /

LEVIN.

Die mein beklä ites Hertz bezaubert und bestrickt.

SULPICIUS.

Die durch gezuckert Gifft mir Libe wil bey bringen.

LEVIN.

Wehn kan ihr Auge nicht / auch sonder Gifft bezwingen?

SULPICIUS.

Nur mich nicht / der jhr Kind weit über alles schätz.

LEVIN.

Mich wol / der ihr Gesicht ob Stern' und Sonne setz.

SULPICIUS.

Ach warumb kan er sich doch nicht in mich verwandeln:

LEVIN.

Last wie man jhm und mir zu Hülffe ko i abhandeln.

SULPICIUS.

Sie schickt verlarvte Gifft! kommt diß von liben her?

LEVIN.

Ja freilich! weil der Grimm der Lib jhr nur zu schwer.

SULPICIUS.

Sucht sie die Sinnen mir zu zwingen? unvonnöthen!

Wann sie die Chloris mir verwidert; kan sie tödten.

LEVIN.

Der Anschlag möchte noch uns allen dinlich seyn.

Man geh aus; daß er stracks durch unerhörte Pein /

Als er diß Traur-Gericht zu schmecken nur beliebet:[14]

Befallen. Wo sein ach ihr zartes Hertz betrübet:

So hat sie freylich nichts als seine Gunst begehrt.

Er stelle sich gantz tod. War ihr sein Leben werth:

So wird sie seine Leich mit bittern Thränen ehren.

SULPICIUS.

Wie solte Chloris wol die herbe Zeitung hören?

LEVIN.

Man meld ihr in geheim der gantzen Sachen Grund.

Dafern er tod geglaubt kan zu beqvemer Stund

Cornelie auff mich ihr zagend Hertze wenden /

Vnd last die Chloris jhm zu letzt in seinen Händen.

SULPICIUS.

Glaubt iemand mich vor tod wie solt ich denn erstehn?

LEVIN.

Man spürt die Ohnmacht oft viel Stunden nicht vergehn.

SULPICIUS.

Diß Werck siht wichtig aus / und dörffte schlecht gerathen.

LEVIN.

Rechtschaffne Libe würckt die grösten Wunder-thaten.

Dein und ihr beyder Haus entscheidet eine Maur /

Die nicht so dick und fest! was! solt uns beyden saur /

Vnd nicht wol möglich seyn zwey / drey Stein auszuheben.

Daß du von hir dich möchst ins Kellers grufft begeben.

Von dannen kanst du leicht wenn Chloris einsam sitzt:

Vernehmen ob sie sey in Gegen-Lib erhitzt /

Eh je Cornelie auff dises Stück mag sinnen.

SULPICIUS.

Jch lasse mich von dir zu aller Nutz gewinnen.

Du / bleib uns beyden trew / dir blüht / wo dieses Stück

Nach unsrem Wuntsch auslaufft / ein nie verhofftes Glück.

FABRICIUS.

Jch bin bereit vor sie mein Leben auffzusetzen.

Gibt man mir jemand zu?

LEVIN.

Cassander kan nur schwetzen.

FABRICIUS.

Wol / ich versteh sie schon. Ko it er mir vor die Hand /

So din' unwissend ihm uns doch sein Vnverstand.[15]

Die gelibte Dornrose.


Schertz-Spil.


Quelle:
Andreas Gryphius: Verliebtes Gespenst, Die geliebte Dornrose. Berlin 1963, S. 10-16.
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