71. Die Besessenen zu Spandau.119

[87] Im Jahre 1594 hat der Teufel zu Spandau wunderbare Spiegelgefechte mit Besessenen gemacht und sich durch dieselben seltsamer Worte verlauten[87] lassen. Man erzählet, er habe Geld, Kränze, Nadeln, Knöpfe, Messer, Ringe, Bänder und andere Sachen ausgestreut, und wer sie aufgenommen, wäre vom Teufel besessen gewesen. Er habe sich in mancherlei Gestalt sehen lassen und ganz wunderliche Dinge getrieben, weshalb niemand des Abends auf der Straße gehen wollen, aus Furcht, er möchte besessen werden. Die Besessenen hätten ausgesagt, sie empfänden zum Oefteren, daß ein kalter Wind sie anwehete, der sich wie eine Schlange drehete, bis er ans Herz käme, wodurch sie sofort ihrer Sinne beraubet würden, daß sie nicht wüßten, was sie redeten und thäten. Unter den Besessenen werden als die merkwürdigsten genannt: Gabriel Kummer, ein Hutmachergesell aus dem Fürstenthum Jägerndorf, Andreas Reiche, ein Huf- und Waffenschmied, und eine Dienstmagd Katharina Richtern. Außer diesen werden noch 30 Personen nahmhaft gemacht, sowohl erwachsene Manns- und Frauenspersonen, als auch Knaben und junge Mädchen. Erstere geben auch englische Erscheinungen vor, die alle darauf hinausgiengen, daß ein Engel sie ermahnet habe, zum Inspector Magister Albert Colerus zu gehen und ihm anzuzeigen, daß er seine Zuhörer mit rechtem Ernst und Eifer zur Besserung ermahnen sollte, damit sie vornehmlich von ihrer gewöhnlichen Hoffarth und Kleiderpracht, von übermäßigem Fressen und Saufen u.s.w. abstehen möchten, sonst schreckliche Strafgerichte erfolgen würden. Besonders zeichnete sich der Hutmachergesell durch seine vorgegebenen Erscheinungen und Gesichte des Engels Gabriel vor Andern aus. Durch eine Stimme, die er des Abends gehört haben wollte, und die ihm zugerufen, daß er die Kirche öffnen, die Sturmglocke läuten und auf den Straßen schreien sollte: Thut Buße oder Wehe, Wehe Euch, Wehe mir selbst! brachte er die Einwohner der Stadt, da er Letzteres wirklich that, nachdem ihm die Oeffnung der Kirche und das Läuten untersagt und er daran gehindert worden war, in solchen Aufruhr, daß dieselben einige Stunden lang in großem Schrecken und Angst in der Stadt herumliefen, dabei er den nachfolgenden Tag selbst gestanden, daß er bei seinem Geschrei in großer Furcht und Bangigkeit gewesen. Diese Besessenen führte man täglich in die Kirche und stellte dabei Betstunden an, davon noch bis jetzt in der Stadt Spandau das Anschlagen der Glocken zu gewissen Stunden seinen Ursprung herleitet. Im folgenden Jahre geschahe solches auch im ganzen Lande, da wider die Türken Befehl Gebete verordnet wurden. Der Graf Rochus zu Lynar ließ gleichfalls wegen häufig Betstunden in seinem Hause halten, richtete auch am 29. November 1594 deshalb ein Schreiben an den Churprinzen Joachim Friedrich.120 Endlich hat aber bei diesen anhaltenden gottseligen Handlungen das teuflische Unwesen, welches vom 15. September bis 17. December des Jahres 1594 gewährt, aufgehört. Es sind auch die vornehmsten Theologen von Berlin und Frankfurt nach Spandau gekommen, um die ganze Begebenheit zu untersuchen, die denn auch gefunden, daß es eine wahrhafte teufelische Besitzung sey, wie sie in ihrem weitläufigen theologischen Bedenken auch dargethan.121

119

S. Angelus S. 414. etc. Ein Bedenken, was von dem Zustande der Besessenen in Spandow und englischen Erscheinungen zu halten. Braunschweig 1609 in 4°. Möhsen, Geschichte der Wissenschaft in der Mark Brandenburg S. 501.

120

Abgedruckt bei Dilschmann, Diplomatische Geschichte und Beschreibung der Stadt Spandow. Berlin 1785 in 4°. S. 160 etc.

121

Abgedruckt bei Angelus, a.a.O.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 87-88.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band