477. Das Gespenst zu Tuttelstädt.561

[403] Es wohnte im Dorfe Tuttelstädt, ohngefähr eine Viertelmeile von Erfurt, welches damals dem Churfürsten von Mainz gehörte, im Jahre 1581 ein Bauersmann, Hans Schiel geheißen, der hatte eine Ehefrau Margarethe, beide gute schlichte einfältige Leute, die ihre Nahrung im Schweiße ihres Angesichts suchten, sonst aber bei Männiglich in Ehren und gutem Leumund standen. Dieselben hatten in ihrer Ehe einen Sohn erzeugt, außer diesem aber hatte der Bauer aus seiner ersten Ehe auch noch einen; letzterer war ohngefähr 16 Jahre alt und hieß wie sein Vater Hans, ersterer aber war[403] 9 Jahre alt und hieß Martin. Beide wurden von ihren Eltern in der Furcht Gottes und dem katholischen Glauben erzogen. Da trug es sich zu, daß, als genannter Hans Schiel sich an einem Dienstag des Jahres 1581 am 28. Februar nach vollbrachter harter Bauernarbeit mit seiner Frau und diesen seinen zwei Söhnen zwischen 7 und 8 Uhr Abends in seiner ärmlichen Hütte zur Ruhe begeben hatte, sich ein Gerassel und Werfen im ganzen Hause, namentlich über der Stube, wo der Bauer mit seiner Familie lag, erhob, daß sie sämmtlich davon nicht wenig befremdet wurden und meinten, es sei ein Dieb ins Haus gebrochen, der sie noch um ihr bischen Armuth bringen wolle. Darum haben sich auch der Bauer und sein ältester Sohn alsogleich aufgemacht, ein Oellicht angezündet und in allen Winkeln und Ecken des Hauses fleißig nachgesucht. Da sie aber nichts fanden, haben sie sich wieder niedergelegt, das brennende Oellicht aber bei sich behalten. Als sie jedoch kaum in das Bett gestiegen waren, da hat es angefangen mit Erdklößen eine Bohne groß oder auch mit noch größern Stücken bald nach dem Manne und seinem Weibe, bald nach den zwei Söhnen, bald nach dem Lichte zu werfen, was sie sämmtlich mit Furcht und Zittern gehört, gesehen und empfunden haben. Ob sie nun wohl sich im Bett aufgerichtet und sich sorgfältig umgeschauet, haben sie doch nichts als die Erdklößlein, womit sie geworfen wurden, gesehen und zwar nicht eher, als wenn sie von ihnen getroffen worden. Weil sie nun aber kein Aufhören bemerkt, so ist gedachter Schiel mit seinem Weibe und Kindern aufgestanden, ist in die Stube geflohen und hat gemeint, wenn er die Stubenthüre ordentlich verschließe, werde er wohl Ruhe haben. Allein ob er wohl Thüre und Fenster auf's Beste verriegelt und zugemacht, ist er hier doch ebensowenig als auf dem Boden in Ruhe gelassen worden, sondern hat das Kippen und Werfen die ganze Nacht über sich gefallen lassen müssen.

Am andern Tage, dem ersten März, so bald der Tag anbrach, hat sich Hans Schiel mit seiner Ehefrau berathen, was zu thun sei und sich vorgenommen, nach Erfurt zu seinem Pfarrherrn zu gehen und um dessen Rath zu bitten, allein sein Weib hat ihm abgeredet und gemeint, sie müßten sich doch die Sache noch genauer überlegen, zumal da trotzdem daß es heller lichter Tag ward, die Unruhe im Hause doch nicht aufhörte. Als nun dieser Tag auch beinahe vergangen war und die Nacht herannahte, da läßt Hans Schiel den Vater seines Weibes, Hans Schauer, so der älteste Einwohner im Dorfe war, desgleichen seine zwei Brüder Hans und Erhard Schiel, beide Einwohner daselbst, zu sich rufen, als wolle er nur für die lange Weile mit ihnen sprechen, verbietet auch allen seinen Hausgenossen Niemandem, was sich zugetragen habe, zu offenbaren, damit diese nicht scheu gemacht würden und er vernehmen möchte, ob Andern auch so wie ihm mitgespielt werden würde.

Wie diese nun kamen und eine Weile von ihren Bauernangelegenheiten sich unterreden, wird Hans Schauer mit einem Erdenklößlein an den Kopf geworfen, allein er hat das, weil es ihm keine Schmerzen verursacht, nicht weiter geachtet, sondern mit Stillschweigen vorübergehen lassen. Als sie nun weiter reden, wird er zum andern Male geworfen, allein nun will er wissen, wer geworfen hat, denn er hatte seine beiden Kameraden deshalb in Verdacht. Da wird der gute alte Mann zum dritten Male an den bloßen Kopf getroffen, und diesmal etwas härter denn zuvor, und als er darüber in Zorn[404] gerieth, indem er meinte, er werde von den Seinen genarrt, da erst wird ihm die Sache erklärt und er befragt, was zu thun sei. Mittlerweilen werden die Erdenklößlein, welche alle aus der Lehmwand des Bauernhauses gerissen worden waren, zusammengelesen und deren fünf Mandeln, 75, gezählt, allein die Mehrzahl ist unaufgelesen geblieben.

Nun hat Hans Schiel's Bruder, der kleine Erhard, kleine Kugeln etwa eine Faust groß von weichem Lehm gemacht und dieselben mitten in die Stube gelegt, in der Meinung, es werde darnach greifen und damit werfen, hat sich auch auf die Diele gesetzt und fleißig umgeschaut, ob er etwas ersehen könne, allein er hat nichts vernommen, endlich aber bemerkt, daß es in die hingelegten Kugeln gebissen, oben hinein mit zwei breiten, von unten herauf nur mit einem Spitzzahne, dazu den Lehm ganz naß wie mit einem Hundebiß begeifert. Sie haben dann den Lehm wieder zugedrückt und abermals zu runden Kugeln gemacht und hingelegt, die dann gleichfalls wie die ersteren gebissen worden sind, allein weiter haben sie nichts gesehen. Es hat aber Schiel ein Hühnchen bei sich in der Stube herumlaufen gehabt und dieses hat allemal, wenn es werfen wollte, mit Gackern es angemeldet. Als sie nun aber den Lehm zum dritten und vierten Male rund gemacht und hingelegt, ist in alle diese Kugeln wie vorher gebissen worden, bis endlich das Ungeheuer den Lehm genommen und den Zuschauern an die Köpfe geworfen hat, gleichwohl haben dieselben nichts als dieses gesehen. Mit solcher Kurzweil haben sie nun die ganze Nacht zubringen müssen, als aber am folgenden Tage und Nacht es in gleicher Weise fortgefahren, da ist das Weib mit ihrem jüngsten Sohne in das Haus des kleinen Erhards geflohen und daselbst vor Furcht eine Nacht geblieben, Hans Schiel aber sammt seinen zwei Brüdern und seinem ältesten Sohne sind im Hause geblieben und haben ihr Kreuz mit Geduld ertragen.

Nun ist Peter Teschner, ein Einwohner zu Tuttelstädt, in gedachtes Haus gekommen, um Schiel in seinem Kreuze zu trösten, da hat aber der wüthende Geist demselben den Nagel auf der großen Zehe mit einem Steine zweimal entzwei geworfen; derselbe hat auch nicht lange gesäumt, sondern ist mit Heulen und Wehklagen davongegangen.

Den 3. März hat es sich nun also angelassen, daß Männiglich verstehen können, daß es nicht blos ein leeres Gespenst, sondern wirklich ein Werk des Satans sei, denn es hat zwar nachgelassen mit Erdklümpchen zu werfen, dagegen aber Steine erwischt und zwar von halben, ganzen, drei, vier, fünf, jawohl von zehn Pfunden, die es zum Theil in Hans Schiel's Behausung und Hof, zum Theil von der öffentlichen Gasse aufgehoben (denn man hat die Höhlung, darin der Stein gelegen, ganz gut sehen können) und hat damit die Einwohner des Hauses und wer sonst dahin gekommen, geworfen und zwar nicht etwa leise und obenhin, sondern dermaßen, daß sie oft nicht vermochten, Hände oder Arme bis an den Mund zu führen.

Alsdann hat sich Hans Schiel erhoben und wohl gemerkt, daß länger zu schweigen sich nicht wohl schicken dürfe, sondern ist nach Erfurt geeilt und hat sich schleunig zu seinem Pfarrherrn verfüget und demselben gemeldet, was sich in seinem Hause zugetragen. Dies hat den Pfarrherrn auch nicht wenig befremdet und er wohl gezweifelt, ob Alles wohl so sei, wie jener ihm vorgebracht, allein er hat doch den guten Mann geheißen im Namen Gottes wieder nach[405] Hause zu gehen und sich seinem Gott und den lieben Heiligen zu befehlen, er wolle ihn auch in sein Gebet einschließen und so bald als möglich zu ihm kommen und es selbst in Augenschein nehmen. Hans Schiel hat sich darauf wieder nach Tuttelstädt begeben und die Sachen so wiedergefunden, wie er sie verlassen; als ihm aber seine Nachbarn riethen, er solle eine Zeit lang, aus dem Hause weichen und sehen, wo die Sache hinauswolle, da hat er solches nicht gewollt, sondern hat geantwortet, er habe sein Haus für sich, sein Weib und seine Kinder mit seiner Hände Arbeit sauer erworben und bezahlet, sei Niemand etwas schuldig, und wenn man dem leidigen Teufel so viel einräumen wolle, daß er die Macht haben solle, einen aus seinen vier Wänden zu jagen, dann dürfe auch kein Anderer im Dorfe mehr sicher in seinem Hause bleiben. Er wolle also ausharren und sein Herr und Erlöser, der ja den Teufel und alle höllischen Heerschaaren überwunden, der werde ihn auch von diesem Kreuze erlösen, und solle es geschehen, daß er oder die Seinigen das Leben darüber lassen müßten, so werde mit Gottes Hilfe dies doch ihrer Seelen Heil und Seligkeit nicht schädlich sein. Als er nun solches zu seinen Nachbarn gesagt, ist er mit seinem Weibe und Kindern, sowie seinen zwei Brüdern, nachdem sie sich alle zuvor mit dem Zeichen des heil. Kreuzes bezeichnet, wieder ins Haus zurückgekehrt und hat nach wie vor auf sich werfen lassen. Jedoch hat es jetzt keine Steine in die Stube gebracht, sondern nur mit dem, was in der Stube war, als mit Schüsseln, Schuhen, Tellern, Löffeln und dergl. nach ihnen geworfen.

Am folgenden Tage, einem Sonnabend, den 4. März, dieweil eben großer Wochenmarkt in der Stadt Erfurt und dieses Haus gleich an der Landstraße gelegen war, wo viel Volk hin und her reist, hat der ungeheure Geist greulich zu wüthen angefangen und dermaßen um sich geschlagen und geworfen, daß Jedermann gemeint, er werde das Haus umkehren, wie er denn auch dreifache Schindeln, in der Breite eines ziemlich großen Tisches, oben im Dache mit Steinen ausgeworfen und ist darnach fast den ganzen Tag also mit Werfen aus demselben Loche fortgefahren, darüber sich die Marktleute haufenweise gesammelt und dies Alles mit Verwunderung angesehen haben.

Sonntags den 5. März ist der Pfarrherr Johann Zimmer und Johann Naumburger, Schulmeister zu Melchendorf und Tuttelstädt, nach gehaltenem Amte der heil. Messe ins Haus gekommen, um die Sache kennen zu lernen; ehe aber gemeldeter Pfarrherr den ersten Fuß recht ins Haus gesetzt, hat er einen Erdkloß am Halse gehabt, worauf der Pfarrherr anfing den Geist zu beschwören, daß er seines Stürmens und Muthwillens, auch wie er dahin gekommen, Ursache anzeigen solle, allein es ist ihm auch nicht mit einem einzigen Worte, wohl aber zu drei Malen mit Steinen und Erdklößen geantwortet worden. Wie nun solches der Pfarrherr gesehen und gefunden, daß alles so sei, wie ihm gemeldet, aber auch auf solche Weise nichts auszurichten sei, hat er es für gut gehalten, der Obrigkeit solches zu vermelden, auch den guten Mann mit sich nach Erfurt genommen und ist mit demselben zu dem gelehrten Herrn Dietrich Buchemeyer, Churf. Mainzischen Siegeler, gegangen und hat selbigem, was sich begeben, ordentlich erzählt. Selbiger hat aber diese Sache, die einer Erdichtung ähnlicher als einer Geschichte gesehen, nicht für Ernst gehalten; da sich aber weder Hans Schiel noch der Pfarrherr davon überzeugen lassen, hat er gemeint, er vermöge nicht sich mit einem[406] solchen Geist einzulassen, es seien dazu andere Leute vonnöthen und hat sie an den Churf. Mainzischen Hof gewiesen, dahin sie auch stehenden Fußes gegangen sind.

Als sie nun aber, daselbst angelangt, hörten, daß gerade jetzt bei dem Churf. Mainz. Vitzthum, Herrn Georg Oland, der Rechte Doctoren, viele ansehnliche Personen anwesend seien, also meinten, daß sie sobald ihre Abfertigung nicht erlangen würden, hat der gemeldte Pfarrherr sein Pfarrkind zu Herrn Nicolaus Ellgart, Weihbischof zu Erfurt geführt und haben sie, als derselbe nach gehaltener Predigt im Stifte zu Unserer Lieben Frauen von der Kanzel gestiegen, wie zuvor dem Herrn Siegeler ihr dringendes Anliegen entdeckt. Darauf hat Se. Hochwürden den betrübten Mann väterlich getröstet, ihm auch versprochen, er wolle deshalb mit anderen Geistlichen conferiren und auf Mittel und Wege sinnen, wie dem Satan könnte gesteuert werden, auch befohlen, diese Sache dem Herrn Vitzthum, als der ordentlichen Obrigkeit dieses Ortes, zu melden.

Montags den 6. März, wie Hans Schiel mit den Seinigen die ganze Nacht über ganz übel von dem ungeheuren Geiste tractirt worden war, hat er sich des Morgens wieder auf nach Erfurt gemacht, sich in den ehemaligen Churf. Mainzischen Hof begeben und obgedachtem Herrn Vitzthum nach der Länge sein Bedrängniß ganz genau, wie oben vermeldet, erzählt, ihn um Rath gebeten und insonderheit gefragt, ob er sein Haus verlassen solle oder nicht. Darauf gedachter Herr Vitzthum von ihm hören wollen, von wem ihm selbst däuchte, daß ihm solches Ungemach komme, ob er mit Jemand in Feindschaft lebe, ob ihm von Andern Böses gedroht worden, ob einige bekannte Zauberer oder Zauberinnen im Dorfe lebten, ob er einige Vermuthung deswegen habe, ob solches seine Hausfrau, Kinder oder sonst Jemanden im Hause gleich ihm angefochten habe und was überhaupt seine Nachbarn und andere Leute davon hielten.

Als nun aber gedachter Hans Schiel auf alle diese Fragen keine bestimmte Antwort geben konnte, auch meinte, er könne sich nicht erinnern, jemals in seinem Leben mit irgend wem in Zwiespalt gelebt zu haben, wisse auch von keinem Zauberer weder im Dorfe noch anderswo, habe auch sammt seinem Weib nie zuvor dergleichen erfahren oder empfunden, könne auch nicht wissen, was es für ein Wesen sei, seine Nachbarn dächten jedoch, es müsse ihm von irgend Jemandem etwas angethan sein. Als nun aber gedachter Herr Vitzthum nichts weiter aus dem Hans Schiel herausbringen können, hat er sich daran erinnert, was sich vor einiger Zeit mit der Jungfrau zu Eßlingen, auch mit Hans Vatern allhier in Thüringen zugetragen und was sonst noch an andern Oertern betrüglicher und falschlistiger Weise sich begeben habe. Er hat also gedachten Bauern mit hartem Ernst angeredet und ihm gesagt, er möge sich wohl fürsehen, daß solches nicht etwa sein und der Seinen angestiftetes Werk sei, er solle wissen, es werde nichts so klein gesponnen, es komme doch zuletzt an die Sonne, und so er bei einiger Falschheit sich betreten lasse, so solle es ihm nicht geschenkt werden, sondern er ernster Strafe gewärtig sein. Ueber solche Reden ist aber der arme Mann gewaltig erschrocken und hat um Gottes Willen gebeten, der Herr Vitzthum wolle ihm solchen Verdacht erlassen, er sei es wohl zufrieden, daß, wenn einige Schalkheit dahinter stecke, man ihm alle Plagen dafür anthun könne,[407] die man nur wolle. Demnach hat es nun dem gedachten Herrn Vitzthum gedäucht, es möge der Mann wohl an der Sache unschuldig sein, hat auch angefangen ihn zu trösten und zu ermahnen, sich ein mannhaft christlich Herz zu fassen, er sei ja ein Christ und der böse Feind könne ihm ja wider Gottes Willen nicht schaden, er möge jedoch das Haus nicht so plötzlich verlassen, sondern auf alle Dinge gut Achtung geben und wohl im Gedächtniß behalten, auch heimlich Nachfrage halten, ob ihm wohl eine Person solche Last zugefüget; er solle, so ihm etwas Beschwerliches begegne, es nicht unterlassen, es alsbald anzubringen, er, der Vitzthum, wolle bei ehester Gelegenheit selbst dahinkommen, um die Sache in Augenschein zu nehmen.

Als nun Hans Schiel wieder zu Hause kommt, findet er es in seinem Hause wieder wüthen und toben wie zuvor; seine Nachbarn, so ein herzliches Mitleiden mit diesen bekümmerten Leuten getragen, fanden sich bei ihm ein und gaben bald diesen, bald jenen Rath, brachten auch etliche geweihete Kräuter und Palmen mit sich, machten davon im Hause einen Rauch in der einfältigen christlichen Zuversicht, als werde das Ungeheuer davor fliehen. Welches jedoch nicht nur nicht geschah, sondern es hat noch viel schlimmer gewüthet, auch auf diejenigen, so das Rauchwerk gemacht, mit Holz und Steinen geworfen, endlich auch mit einem dreipfündigen Steine das irdene Geschirr, darin das Rauchwerk gehalten, in einzelne Trümmer geworfen.

Als nunmehro kein Zweifel mehr war, daß dieses ein Werk des Satans sei, dabei aber es ebenso gewiß ist, daß Gott der Allmächtige in seiner katholischen christlichen Kirche bei denen, die den rechten Glauben haben, Gewalt hinterlassen hat, die Teufel, wo sie auch den Gläubigen Schaden zufügen, zu vertreiben, hat der Herr Weihbischof, nachdem er mit gedachtem Herrn Vitzthum und etlichen Theologen Rath gepflogen, Herrn Johann Körner, Canonicus zu Unserer Lieben Frauen Stiftskirchen, sowie auch Pfarrherrn zu St. Niclas in Erfurt nebst einigen andern Geistlichen befohlen, mit allem, was zu dem heil. Amte der Messe nöthig, hinaus nach Tuttelstädt zu ziehen. Es haben sich selbige auf den 7. März zu früher Tageszeit aus Erfurt an besagten Ort begeben, daselbst mit gebogenen Knieen mit vielen andern benachbarten Geistlichen zu Gott gebetet und schließlich die dasige Obrigkeit befragt, was sie von besagter Sache wisse. Die haben denn alle übereinstimmend geantwortet, sie wüßten als einfältige Bauersleute nicht, wofür sie die Sache halten sollten, allein die gesunde Vernunft sage ihnen, daß es ein guter Geist nicht sei. Hierauf haben sie die Geistlichen über die Stuben auf die Lauben oder Boden geführt, wo über zweihundert große und kleine Steine lagen, die da alle von diesem Ungeheuer dorthin geworfen worden waren, haben auch ferner das Loch im Dache gezeigt, desgleichen eine große alte Kiste, darauf sie Asche gestreut, darin eine Spur zu sehen war, die aber keinem bekannten Thiere glich, sondern beinahe einer Menschenhand mit ausgesperrten Fingern, der Daumen weit zurück in die Mitte gesetzt, anzusehen gewesen.

Wie nun die Geistlichen in der That gefunden, daß es nicht ein leeres Wort oder Fabelwerk gewesen, so hat Herr J. Körner auf der Lauben, da es am Meisten gestürmt (wie wohl es in Gegenwart der Geistlichen ganz still gewesen), das hochheilige Amt der Messe gehalten, auch Hans Schiel sammt seinem Weibe und ältesten Sohne, nachdem sie gebeichtet, alsbald mit[408] dem heil. Sacrament des wahren Leibes und Blutes Christi nach christlichem katholischen Gebrauche gespeiset.

Von dieser Stunde und Tage an hat nun Gott durch seine göttliche Gnade den bösen Geist abgehalten, so daß er die armen Leute fünf ganzer Tage lang in Ruhe lassen mußte, allein Sonnabend vor Judica den 11. März um Mitternacht hat derselbe sich wieder hervorgethan und wie zuvor auch geschehen, gehauset, Hans Schiel sammt seinen obgemeldten Hausgenossen aus ihren Betten und Kammern bis hernieder in die Stuben mit großen und kleinen Steinen, so zum Theil ganz naß, als wenn sie frisch aus dem Bache gezogen wären, gejagt und dies hat die ganze Nacht über und die folgenden vier Tage gewährt. Weil er nun aber von einem Bauer seines Gleichen gehört, daß der böse Geist vor Fluchen und Schwören weichen müsse, hat er aus Einfalt angefangen aufs Greulichste zu fluchen und zu schwören und auf solche Weise dem Teufel zu gebieten, allein dieser hat sich nicht allein nicht schrecken lassen, sondern als wäre er dazu aufgefordert worden, noch härter und stärker als zuvor auf sie geworfen und zu verstehen gegeben, daß ihm durch Gotteslästerung nicht gesteuert, sondern vielmehr gedient werde.

Es hat nun der gute Mann, weil er weder durch die Priesterschaft noch durch Schelten und Fluchen etwas geschafft, angefangen melancholisch und schwermüthig zu werden; weil ihm aber der Herr Vitzthum befohlen, so sich weiter etwas Beschwerliches ereigne, solle er es ihm wissen lassen, hat er sich wieder zu demselben in die Stadt begeben und ihm klagend vorgebracht, was sich mit seinem Hausgespenste neuerlich wiederum begeben. Derselbe hat ihn getröstet und gesagt, er habe sich längst vorgenommen, zu ihm heraus zu kommen, sei aber wegen Leibesschwachheit daran verhindert worden, sobald er aber ohne seine Gesundheit zu verletzen dies werde bewerkstelligen können, werde er selbst kommen, er solle jedoch aus dem Hause nicht weichen, es wäre denn die äußerste Noth. Indeß solle er wiederum zu dem Herrn Weihbischof gehen und seinen Rath begehren und was ihm solcher sagen werde, flugs ausführen. Am 14. März hat nun der Geist nicht allein die Menschen, sondern auch das unvernünftige Vieh geängstigt, denn da zwei Kühe im Stalle gestanden, deren eine vorlängst ein Kalb geworfen, welches Hans Schiel mit einem Stricke bei den Kühen angebunden, findet er dasselbe ohne männigliches Zuthun von dem Stricke, als wäre er zerbissen und zerkauet gewesen, losgemacht. Zwar hat er dasselbe wieder angebunden, aber ehe er noch davon gegangen, hat er es auf die vorige Weise wiederum losgemacht gefunden. Darüber ist er nicht wenig ergrimmt und hat nun einen starken Strick dem Kalbe vierfach um den Hals geschlagen, den er nichts desto weniger alsbald wie mit einem Scheermesser entzwei geschnitten gesehen, hat auch das Kalb also bis auf den folgenden Tag unangebunden müssen stehen lassen.

Denselben Tag ist nun der Bauer abermals zu dem Herrn Vitzthum gegangen und hat ihm berichtet, was mit dem Stricke sich ereignet habe, dieser hat auch den 15. März den gedachten Herrn Pfarrherrn Johann Körner und den churfürstlichen Landsknecht Hauptmann Hansen von Eltz zu sich beschieden und ihnen angesonnen, mit ihm hinaus gen Tuttelstädt zu fahren und selbst zu beschauen, was das Ungeheuer angestellt habe.

Als sie nun daselbst angekommen sind, wird ihnen angezeigt, daß es denselben Morgen mit Steinwerfen, insonderheit zur Hausthür hinein gestürmt,[409] es sind ihnen auch allda frische Schrammen in den Brettern an der Thüre und Wänden des Steinwurfs gezeigt worden. Es haben auch etliche Knaben und Weibspersonen aus der Nachbarschaft, die außer dem Bauer und seiner Frau sich in dem Hause befunden, dem Herrn Vitzthum etliche Steine und Hölzer vorgezeigt, womit sie geworfen worden waren; als jene aber ins Haus getreten, ist alles still gewesen und nichts weder gehört noch gesehen worden. Der Herr Vitzthum hat nun aber selbst mit bloßem Schwerte alle die Orte im Hause, von wo gemeiniglich Steine hergeflogen kamen, untersucht, ob vielleicht irgend eine falsche Arglist dahinter verborgen sei, hat auch einen starken beherzten Knecht mit einem Knebelspieße alle Winkel oben und unten im Hause durchkriechen lassen, es hat sich aber nichts zeigen wollen. Darüber haben sich denn auch die Hausleute nicht wenig verwundert, haben sich auch etwas mehr in dem Hause auf- und abzugehen unterfangen und dem Herrn Vitzthum und seinen Begleitern die Oerter und Plätze, wo es sein Wesen getrieben, gezeigt, endlich sie auf ein Stück Landes, das neulich erst mit Pflanzensamen besäet worden, geführt, und sie haben in diesem weichen Erdreich, da es neuerlich erst geregnet, hin und wieder solche Fußtapfen, wie früher in der Asche, bemerkt. Wie nun also alles fleißig durchsucht und nichts gespürt worden, da hat gedachter Herr Vitzthum den Mann im Beisein des Pfarrherrn in die Stube genommen und ihn aufs Ernstlichste ermahnt, er solle ihm nochmals die pure lautere Wahrheit sagen, denn so es anders werde befunden werden als er und Andere berichtet, sollten sie ohne ernste Strafe nicht davon kommen. Jener hat aber geantwortet, was ihm bewußt gewesen, habe er bereits angezeigt, weiteres wisse er selbst nicht. Hieraus haben der Herr Vitzthum und seine Begleiter den Mann ermahnt und ihm geheißen auf Gott zu vertrauen, und sind wiederum gen Erfurt gezogen. Von diesem 15. März an ist es im Hause still gewesen und nichts vernommen worden bis zum 27., welches war der Montag in den heil. Ostern. Da hat sich der unruhige Geist des Morgens wieder mit drei Schlägen hervorgethan und ist recht mörderisch mit den armen Leuten umgegangen, anfänglich hat er nicht mit kleinen Erdklößen geworfen, sondern mit drei- und vierpfündigen Steinen die Leute im Hause aufgeweckt, sie über Hals über Kopf eilends aus ihrem Lager in die Stuben gejagt, allwo sie jedoch ebensowenig wie auf der Lauben sicher gewesen. Als nun der Tag anbrach und die Hausfrau sich fürchtete aus der Stube zu den Kühen zu gehen, sprach ihr der Mann Muth ein und ging auch selbst mit ihr in den Stall. Als das Weib nun ihre Arbeit verrichtet, die Kühe gemolken und das irdene Gefäß mit der Milch, deren bei fünf Maß von zwei Kühen gewesen, in den Schrank setzen will, wirft das Ungeheuer mit einem zweipfündigen Steine mitten in den Milchasch, so daß derselbe in Stücke zerbricht und die Milch im Hause herumschwimmt, wie die Frau solches mit weinenden Augen ihren Nachbarn geklagt und gezeigt hat.

Folgenden Tages am 28. März, da das Weib wiederum zu ihrem Vieh gehen will, wirft dieser teufelische Geist mit einem dreipfündigen Steine dem armen betrübten Weibe eine blutige Wunde in den Kopf, davon sie wie todt mit erbärmlichem Geschrei zur Erde gesunken ist. Das hört der Mann, läuft geschwind mit dem ältesten Sohne dem Weibe zu Hilfe, haspelt sie auf, so gut wie er konnte, eilt mit ihr in die Stube und befiehlt seinem ältesten[410] Sohne, ihre Arbeit zu verrichten. Da fängt der Sohn an so erbärmlich zu schreien, daß der Vater eilt zu sehen, was geschehen sei, findet auch den Sohn gleicher Gestalt sich auf der Erde herumwälzen, von einer zweipfündigen eisernen Kugel getroffen, welche er vor 20 Jahren zu Melchendorf auf einem Acker liegen gefunden und bis dahin bei sich behalten hatte, und die nach ihm den Abend zuvor der unruhige Geist geworfen, aber ihn nicht getroffen hatte. Er hebt nun seinen Sohn auf und schleppt ihn hinaus auf den Hof, weil zu der eisernen Kugel noch ein Stein nach dem andern im Hause geflogen kam. Darauf macht sich der bedrängte Mann abermals auf den Weg nach Erfurt, nimmt die geworfenen Steine und Kugeln mit sich und zeigt sie dem Herrn Vitzthum und dem Doctor beider Rechte Herrn Vitt Miletus, welche ihn gleichwohl ausharren heißen und ihm befehlen, dieselbe Kugel zu dem Herrn Weihbischof zu tragen. Es hat nun dieser am 29. März mit besagten Herren Rath gehalten, wie diesem Uebel zu begegnen und dem Teufel zu steuern sei, und sie haben beschlossen, dem frechen Geiste mit geistlicher Uebung zu begegnen und das Uebrige Gott dem Allmächtigen anheimzustellen. Sie haben dann besagten Herrn Johann Körner und noch andere Geistliche zu sich gefordert und sie aufgefordert, sich mit Fasten und Beten, Beichten und Büßen zu diesem geistlichen Kriege zu rüsten und dann selbander nach Tuttelstädt zu gehen. Diesen Tag und die Nacht aber, ehe sie von Erfurt auszogen, ist der Satan in dem oft genannten Hause zu Tuttelstädt ganz unruhig gewesen, weswegen Haus Schiel seine vorgenannten beiden Brüder bitten müssen, des Nachts bei ihm zu bleiben, wie denn auch geschehen. Am Abend, als man Licht anzündete und nach bäuerischem Gebrauche ein Oellicht mitten in die Stube aufgehangen hat, fängt der kleine Hans Schiel an: »Wie, wenn es uns etwa das Licht auslöschte?« Ehe dieser das Wort recht ausgeredet, wird das Licht mit einem Knüttel geworfen, daß es in der Stube ausgelöscht herumgefahren; sie haben aber nicht lange gesäumt, sondern nach dem Feuerzeuge gegriffen, so auf dem Tische gestanden. Aber umsonst, denn der schalkhafte Geist hatte es versteckt. Ehe sie nun wieder zu Licht kommen, erwischt der böse Geist den ältesten Sohn und beginnt diesem die Gurgel zuzudrücken, und wo ihm der Vater mit seinen zwei Brüdern nicht geschwind zu Hilfe gekommen wäre und ihm den Knaben mit Gewalt entrissen hätte, wäre er vermuthlich also erstickt worden. Als nun dieser Sturm vorbei war und das Weib mittlerweile wieder ein brennendes Licht gebracht, suchen sie ihr verstecktes Feuerzeug, aber vergebens; während die Andern nachsuchen, setzt sich der kleine Hans Schiel hinter den Ofen und der böse Feind wirft mit dem eisernen Feuerzeuge, das die Andern suchen und fast ein halb Pfund schwer ist, nach demselben hinter dem Ofen und wirft nahe an dessen Kopfe hinweg ein Loch in die Wand, daß bequem zwei Finger hineingelegt werden konnten. Es währt nicht lange, so fliegt das Feuerzeug wieder zurück und so bekommen sie dasselbe ohne Mühe, aber doch nicht ohne Gefahr wieder; wie sie es aber in den Händen haben, so setzen sie es auf den Tisch und hören alsbald ein Gerassel mit dem Eisen und Steinen, gleich als wenn ein Kettenhund darin wäre. Da sagt der kleine Erhard zu seinem Bruder Hans: »Drücke den Tisch zu, so wollen wir ihn darin behalten«; sie haben darauf aus dem Feuerzeug Stein und Eisen herausgenommen und in den Fäusten gehalten, damit sie nicht mehr damit geworfen werden könnten. Hierauf haben sie erst[411] mit einander gebetet und gerufen: »Ein jeglicher Geist lobet Gott!« Dann hat das Wüthen ein wenig aufgehört, und wie sich dann der Wirth im Hause ein wenig in seinen Kleidern zur Ruhe gelegt, wird ihm ohne sein Wissen sein Brodmesser, so er an der Seite bei sich am Leibe getragen, herausgezogen und damit nach seinem Kopfe, um ihn aufzuwecken, geworfen. Indem sitzt der kleine Erhard am Tische und lacht, und indem er das Feuerzeug vor sich auf dem Tische ansieht, spricht er: »Wie, wenn es uns das Feuerzeug wieder versteckte?« Indem er solches noch spricht, macht er das Zeichen des heiligen Kreuzes darüber, und siehe ein Wunder Gottes, der böse Geist, der das Feuerzeug schon wieder gepackt hat und vielleicht seinen Muthwillen damit treiben will, ist nicht so mächtig, da das Zeichen des heil. Kreuzes darüber geschlagen worden, daß er es hätte halten können, sondern muß es stracks wieder auf die Erde fallen lassen.

Donnerstags den 30. März geht Hans Schiel mit seinem Weibe und ältesten Sohne frühe hinaus aufs Feld, thun ihren jüngsten Sohn zu ihrem Nachbarn und lassen das Haus allein stehen. Wie sie nun zu Mittag wieder heimkommen, sich und das Vieh zu speisen, wirft der leidige Satan von den Lauben herab mit zwei Steinen, deren jeglicher bei zwölf Pfunden gewogen, hat aber Niemanden damit getroffen. Sie gehen nun nach gehaltenem Mittag wieder aufs Feld an ihre Handarbeit, kehren dann Abends, als es ohngefähr vier geschlagen, wieder heim, da sie Befehl bekommen, den Erfurter Geistlichen um diese Zeit zu erwarten. Da will Hans Schiel Feuer anschlagen, siehe da ist sein Feuerzeug abermals versteckt; wie er aber doch Feuer bekommt, fängt der leidige Teufel an viel greulicher und heftiger zu wüthen und zu toben, als er zuvor jemals gethan. Hans Schiel macht sich nun aus dem Hause eilends in die Küche, etwa um ein Gemüse zu kochen, schließt die Küchenthüre hinter sich zu, indem er meinte, wenn die Thüre zugeschlossen, sei er vor dem Teufel wohl gesichert. Allein dieser läßt sich weder durch Schloß noch Riegel irren, kommt zu dem Bauer in die Küche, wirft Stürzen und Töpfe, desgleichen eine Reibekeule nach ihm und macht ihm so bange, daß er sein Kochen vergißt und nach der Stube zu seinem Weibe und Kindern flüchtet. Je näher die Geistlichen aber dem Dorfe kommen, desto greulicher hat dieser rumorische Geist gewüthet. Hans Schiel faßt nun wieder ein Mannsherz, geht aus der Stube ins Haus, seine Geschäfte zu verrichten. Siehe da wird ihm eine scharfe spitzige Barthe, deren er zwei am Schranke hängen gehabt, nach dem Kopfe geworfen, also stark, daß sie in der Hausthüre stecken blieb. Er besinnt sich nicht lange, nimmt seine Barthe und eilt damit der Stube zu. Wie er dieselbe erlangt hat, fällt ihm ein, daß noch eine Barthe am Schranke hänge, und denkt darüber nach, wie er dieselbe auch zu sich bekommen möge. Gleichwohl ist er nicht so beherzt, daß er sie selbst holen mochte; er zieht also seinem ältesten Sohne seinen Bauernrock von Leder an, hängt noch ein Federbette darüber und läßt ihn also gebückt mit dem Federbette auf dem Rücken hinaus nach dem Schranke ziehen. Wie derselbe aber nach der Barthe greift, hat sie der böse Feind schon hinweg, und jener thut einen Fehlgriff, der Geist wirft mit derselben nach der Stubenthür und macht darin eine Schramme eine Spanne lang. Nichtsdestoweniger schickt der Bauersmann seinen Sohn wie das vorige Mal weißgekleidet zum andern Male hinaus, wäre er aber von seinem Vater nicht[412] so gut zugedeckt gewesen, wäre es ihm übel gelohnt worden. Denn es hat der böse Feind mit einem ziemlich großen eisernen Keil, mit welchem die Bauern das Holz spalten, von oben herab auf das Federbett geworfen und dasselbe damit ganz aufgerissen, also daß die Federn im Hause herumgestoben. Der Sohn säumt auch nicht lange, sondern kommt wieder in die Stube und zeigt seinem Vater, wie es ihm ergangen. Hans Schiel mit den Seinen ruft nun die Nachbarn an die Fenster, allein da sie ihnen wenig helfen konnten, so ward ihnen gerathen, ihr Gebet zu sprechen, sich mit dem heil. Kreuze zu zeichnen und dann geschwind heraus zu laufen. Obwohl aber während ihres Herauslaufens mit Barthen, Aexten, Mist- und Ofengabeln nach ihnen geworfen worden, ist doch diesmal keiner von ihnen verletzt worden. Als sie jedoch außerhalb der Thüre und mit ihnen beinahe die halbe Dorfschaft gestanden, um zu sehen, was noch endlich daraus werden solle, da wirft der leidige Teufel Mulden, Körbe, Bänke, Stühle, Gelten, Klötze und was sonst noch im Hause anzutreffen, wie schwer und groß dasselbe auch immer gewesen, nach den Zuschauern vor die Thüre. Indem fällt Hans Schiel ein, daß noch ein ungeheurer Federspieß (den dieser böse Geist hierauf ins Haus geführt, auf die Hahnebalken niedergelegt hat und der nachher erst von einem Erfurter Priester, Namens Herr Michael Hertzig, Vicar zu St. Sever, wieder erlangt worden ist) auf dem Boden liege; er erwischt also die Thüre im Hause und schlägt sie zu, damit nicht derselbe unter das Volk geworfen und Jemand verletzt werde. Also sind sie vor der Thüre stehen geblieben und haben unsere Ankunft mit Schmerzen erwartet.

Desselbigen Tages am Abend um sechs Uhr sind Herr Johann Körner, der würdige Herr Michael Hertzig, ferner ein anderer Priester Herr Johann Schilling, auch Johann Kallenberg, Bürger zu Erfurt, zu Tuttelstädt angekommen, haben die Inwohner und Nachbarn eben vor dem Hause betrübt stehen gefunden, die ihnen einhellig berichtet, was sich zugetragen und wie das Hausgeräthe so aus dem Hause geworfen worden sei. Darauf haben jene befohlen, das Haus zu öffnen; Hans Schiel aber, dem der lange Spieß und daß er die ganze Zeit über, als die Unruhe gewährt, an die 200 Würfe an seinem Leibe bekommen, im Sinne und Gedächtniß gelegen, wollte nicht daran, das Haus zu öffnen, allein auf ernstliches Anhalten hat er es geöffnet, ist aber selbst wieder zurückgewichen.

Als sich die Geistlichen nun mit dem Zeichen des heil. Kreuzes versehen, sind sie im Namen Gottes und unsers Herrn Christi in das Haus gegangen, sind alsbald auf ihre Kniee gefallen, haben die sieben Bußpsalmen sammt der Litanei nebst andern christlichen Gebeten, dann den 91. Psalmen, auch etliche approbirte Exorcismen andächtig gesprochen und also bei einer Stunde knieend im Gebete verharrt. Indessen sind die Hausbewohner und die ganze Dorfschaft, Einheimische und Fremde, vor dem Hause gestanden und haben gesehen, was daraus werden werde und wie sie der ungeheure Geist empfangen werde. Der Geist hat sich aber nicht das Geringste in ihrer Gegenwart unterfangen; die Geistlichen sind aber die ganze Nacht im Hause geblieben und haben dieselbe mit Wachen, Beten, Fasten und Beichten, auch mit Verlesung der Historien der heilsamen Passion unsers Erlösers zugebracht, es haben auch Hans Schiel der Hauswirth, sein Weib und ältester Sohn, desgleichen Andreas Schauer, der kleine Hans Schiel, Claus Tobeler, alle[413] angesessene Bauern zu Tuttelstädt, Johannes Naumburger, Schulmeister zu Melchendorf, Hans Kallenberg, Bürger zu Erfurt, im Wachen und Beten bei den Geistlichen verharrt, ihre Sünden gebeichtet und andere gottselige Werke vollbringen helfen. Es ist aber die ganze Nacht ganz still und ruhig geblieben, also daß sich nicht das Geringste geregt. Als nun der Morgen anbrach, hat Herr Johann Körner angefangen sich zur Haltung der Messe nach altem katholischen Gebrauch zu bereiten, fing das Officium an, so über Ort und Personen, die vom leidigen Satan betrübt und bedrängt werden, pflegt celebrirt und gehalten zu werden, und nach vollbrachtem Amte der heil. Messe communicirten alle Umstehenden, Geistliche und Weltliche, dann sind sie alle nieder auf die Erde gefallen, haben mit reuigem Herzen zu Gott abermals die sieben Bußpsalmen und Litanei, nebst etlichen in der katholischen Kirche gebräuchlichen Exorcismen gesprochen und das Haus mit Weihwasser besprengt, aber nicht das Geringste vom leidigen Satan gesehen, gehört oder vermerkt. Hierauf ist Herr Körner wieder nach Erfurt zurückgekehrt; desselbigen Tages aber, als es Abend geworden, sind nebst dem genannten Priester wiederum zwei Geistliche, Herr Gregorius Körner und der schon genannte Herr Schilling, beide Vicare an unser Lieben Frauen Stiftskirche, hinausgegangen, haben diese Nacht gleich der vorigen mit Wachen und Beten zugebracht, auch da es Morgen geworden, das Amt der heil. Messe sammt dem Exorcismo wie gestern verrichtet. Nachmals ist Alles still und ruhig geblieben, also daß weder die Bauern noch die Geistlichen etwas gesehen oder gehört haben. Am dritten Tage ist wiederum neben dem Pfarrherrn des Ortes und dem Canonicus des Stifts St. Severi Magister Konr. Herckenrodt Herr Johann Körner in das Spukhaus gekommen, hat dieselbe Nacht ebenso gewacht und gebetet, allein doch hat es sich ein wenig, aber nicht viel im Hause merken lassen und an der Stubenthüre gerüttelt. Als der Morgen herangekommen, hat er wiederum die Celebrirung der Messe vorgenommen und nach derselben wie zuvor den Exorcismus vorgelesen; wie sie nun bis dahin gekommen: »Conjuro te, diabole, ut dimittas locum hunc, et vadas quocunque tibi in nomine et virtute Dom. nostri Jesu Christi praecepero etc.«, hat dieser unsaubere Geist mit einem Erdklößlein aus dem Hofe in die Stube durchs Fenster, so gleich offen gestanden, geworfen und Herrn J. Körner's Diener auf einen Arm getroffen, so daß es alle, so zugegen waren, gesehen haben. Ist Herrn Körner auch das Erdklößlein in die Hand gegeben worden, der Größe nach einer Bohne ähnlich. Gleichwohl sind sie im Exorcismus fortgefahren, haben aber nichts weiter vernommen, sondern die Leute in Frieden gefunden und gelassen bis zum 7. Aprilis. Freitags nach Quasimodogeniti hat sich der unruhige Geist wiederum, wiewohl kraftlos merken lassen, denn als die Hausbewohner früh aufgestanden sind und nach dem Feuerzeuge gegriffen haben, da ist es zum dritten Mal versteckt gewesen, und indem sie sich nach einem andern umsehen, wirft jener von oben herein mit demselben, so ein ziemlich ausgehauener Klotz war, nach dem Wirth und mit dem Eisen nach der Wirthin, es ist aber keins von ihnen getroffen worden. Denselben Tag ist aber Herr Körner von der Wallfahrt Schmiedestädt in das genannte Haus gekommen, um nachzusehen, ob noch Alles in guter Ruhe sei, hat auch ein Vaterunser und was sonst noch in Andacht gebetet, auch im Hause mit geweihtem Wasser gesprengt und sind dann die[414] Leute abermals ganzer acht Tage in Frieden gelassen worden. Außerhalb des Hauses aber im Hofe hat sich der böse Feind wohl merken lassen, denn sobald ein Fleck Landes im Hofe umgegraben und darauf allerhand Kraut- und Pflanzensamen gesäet und selbiger ziemlich aufgegangen war, ergrimmte der böse Geist, daß ihm sein Muthwille durch Gott im Hause verboten war und hat eine ziemliche Anzahl und zwar nicht die kleinsten Steine auf die Saat geworfen, dieselbe zertreten und verdorben, da wo sie am Besten gestanden. Da solches der gute Bauersmann inne worden, hat er selbst mit geweihtem Wasser über die Pflanzen gesprengt und dann von dem Satan nichts mehr gemerkt.

Freitags nach Misericordia Dom. ist Herr Körner abermals nebst andern von der Betfahrt Schmiedestädt (es ist nämlich alle Freitage zwischen Ostern und Trinitatis von Erfurt gen Schmiedestädt in alten Zeiten bis auf diesen Tag eine große Wallfahrt gehalten worden) gen Tuttelstädt gekommen und hat die Leute befragt, wie es um ihre Sache stehe; jene haben aber geantwortet, daß sie bis auf diesen Tag nichts vernommen, daß es aber die vergangene Nacht auf dem Dache, so von Schindeln gemacht, wie eine Katze gekratzt und herumgeschlürft sei; darauf haben die Herren Geistlichen ihr Gebet im Hause gesprochen, mit Weihwasser gesprengt und die Leute Gott befohlen. Freitags nach Jubilate, den 21. Aprilis, sind sie abermals von ihrer Betfahrt zu Hans Schiel gekommen und derselbe hat auf ihre Frage berichtet, es sei wiederum die vergangenen acht Tage ganz still gewesen, zwar habe es zweimal mit Erdklößen zur Thüre hereingeworfen, allein er habe sich getröstet, dieweil Gott der Herr es gefügt, daß der Geist jetzt außerhalb des Hauses, wo er zuvor getobt, gewesen sei. Endlich am nächsten Freitag, den 28. April, sind sie nebst vielen andern, auch in Begleitung des Herrn Weihbischofs abermals in dies Haus gekommen, haben sich im Gebet zur Erde geworfen, auch einen Altar in der Stube aufgerichtet und daselbst das heil. Mysterium der Messe celebrirt und seit dieser Zeit haben die Einwohner des genannten Hauses und des ganzen Dorfes Tuttelstädt bis zu Ende des Jahres nichts mehr gehört und gesehen von dem Erbfeinde des Menschengeschlechts, sondern sind von demselben in Ruhe und Frieden gelassen worden.

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S. Joh. Körner, Warhaffte Beschreibung einer Wundergeschicht, so sich in diesem jetzo lauffenden 81. Jahr im Dorffe Tuttelstedt, eine Viertheil Meile wegs außerhalb Erffurdt etc. mit einem ungehewren gespenst oder geist von dem XXVIII. February bis auff den XXVIII. Aprilis zugetragen. Zu Cölln durch Maternum Cholinum 1581 in 12.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 403-415.
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