767. Der Ursprung der Familie von Lüddinghausen, genannt Wulff.887

[721] In Westphalen ist eine Ritterfamilie von Lüddinghausen gewesen, die das gleichnamige Schloß im Stift Münster besessen und den Wulffen genannt Lüddinghausen ihren Ursprung gegeben hat. Darüber existirt folgende Sage.

Ein Ritter von Lüddinghausen heirathete die Tochter eines westphälischen Grafen von Hallermund. Weil sie nun die letzte ihres Stammes war, mußte der Bräutigam bei dem Verlöbniß versprechen, daß wenn seine Gemahlin zwei Söhne zur Welt bringen würde, alsdann der jüngste das Hallermund'sche Wappen führen solle. Die Frau ward schwanger und gebar einen Sohn. Sie ward nachmals abermals schwanger, als aber die Zeit der Geburt herannahte, starb sie noch vor der Entbindung. Weil aber die bei ihr anwesenden Frauen merkten, daß die Frucht noch am Leben sei, wurde ihr auf Befehl ihres Eheherrn der Leib aufgeschnitten und ein lebendig Knäblein von ihr genommen. Da aber dasselbe die gehörige Geburtsstunde noch nicht erreicht hatte, wurde auf Anrathen der Aerzte sogleich ein Schaf lebendig aufgeschlitzt, das Eingeweide herausgenommen, das Kind hineingelegt[721] und damit vier Wochen, also so lange fortgefahren, bis man bei dem Kinde rechte Bewegung und Weinen verspürte.

Wie nun solchergestalt viele Schafe geschlachtet werden mußten (denn innerhalb 24 Stunden wurden 5 Schafe gebraucht) und es sich zu einer Zeit zutrug, daß der Vater des Kindes am Palmsonntag aus der Kirche kommend eilig zu essen verlangte, der Koch aber noch mit Schlachtung eines Schafes beschäftigt war, aber nicht so geschwind fertig werden konnte, so sagte dieser aus Unwillen zu dem ihm zurufenden Diener: »Das Kind frißt so viele Schafe, es möchte wohl ein Wolf sein.« Der Herr aber hörte auf diese Worte und antwortete: »Des Namens so he geneiten, Wulff so he heiten.« Wie gesagt, so gethan. Denn als das Kind hernach getauft wurde, gab ihm der Vater den Namen Bernd Wulff. Da der Sohn erwuchs, suchten zwar nach des Vaters Tode die Anverwandten denselben in ein Kloster zu stecken, kauften zu dem Ende auch zu Münster eine Dompräbende, allein weil dieser keine Lust dazu hatte, so verhandelte er dieselbe wieder, heirathete eine von Padberg und nahm das Wappen der Grafen von Hallermund an.

887

S. Von Steinen St. III. S. 239 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 721-722.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band