796. Der Brigadier von Corvei.919

[749] Vor etlichen hundert Jahren lebte in der Stadt Warendorf ein Oberst, Brigadier von Corvei geheißen, der war sehr reich, aber auch sehr grausam und geizig. Als er aber zum Sterben kam, verordnete er, daß er mit vielem Pomp begraben werde und daß man viele Messen für ihn lesen lasse, damit seine Seele Erlösung bekomme. Dieses geschah auch, denn alle Straßen von seinem Hause an bis zur alten Kirche waren mit feinem schwarzen Tuche belegt, das nachher den Armen geschenkt wurde, und in allen Kirchen der Stadt wurde ein ganzes Jahr hindurch jeden Tag Seelenmessen für ihn gelesen. Dennoch konnte er aber seiner Strafe nicht entgehen, daß er im Leben so grausam und geizig gewesen war. Jedes Jahr an seinem Sterbetage muß er von Abend an bis zum Frühmorgen mit feurigem Wagen und Pferden durch die Stadt und über alle seine ehemaligen weitläufigen Besitzungen fahren, wobei böse Geister ihn umgeben und man ihn jämmerlich ächzen und stöhnen hört. Sein Degen und sein Stiefel, die noch zu Warendorf verwahrt werden, fangen alsdann an erschrecklich zu poltern und liegen nicht eher still, als bis die Fahrt ihres alten Herrn zu Ende ist.

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Nach Stahl S. 277 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 749.
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