19. Die dankbare Zwergin im Isholz.

[23] (Nach Leibing S. 21.)


Auf der Fixhaide zwischen Schlebusch und Opladen erschien einmal Abends in einem einsam gelegenen Hause, als die Bäuerin allein daheim[23] war, ein niedliches, kleines, in schwarze Tracht gehülltes Weiblein, welches ein hübsches kleines Hündchen bellend umsprang. Die Fremde begegnete der Bäuerin ungemein freundlich, gestand ihr, daß sie bald Mutter werden würde und daß sie, da sie sich in ihrer Nähe angesiedelt hätte, auf ihren Beistand zählen müßte. Als die gute Bäuerin ihr diesen Liebesdienst zusagte, verabredete die kleine schwarze Frau mit ihr weiter, daß sie in diesem Falle ihr Hündlein senden wolle, die Hilfe anzusprechen. Hiermit schied die seltsame Frau aus der Bauerhütte. Einige Wochen später stand Abends der Bauer in der Thüre und wunderte sich, daß ein kleiner schwarzer Hund immer um ihn herumspringe und ihn anbelle. Er verjagte denselben mehrmals, sah aber, daß das Thierlein stets wiederkehrte und sein Haus umkreiste. Als der Mann sich zum Abendessen niedersetzte, erzählte er den Vorfall seiner Frau, die sich dabei gleich des seltsamen Besuchs und der dabei stattgehabten Ansprache erinnerte und sich schnell beeilte, dem Rufe zu folgen. Als sie vor ihre Thüre trat, sprang das Hündlein auch gleich um sie herum und lief bellend voran, als freue es sich, daß ihm die Frau auf dem Fuße folge. Die gute Bäuerin eilte rasch über die Haide und nahm sich nicht einmal Zeit darüber nachzudenken, daß in der eingeschlagenen Richtung keine Wohnungen wären. Der Zug ging quer über die Bürriger Haide zu einem tiefer liegenden Gebüsche, dem sogenannten Isholze, wo das Hündlein plötzlich am Bergesabhang in der Erde verschwand. Die gute Frau stutzte freilich, als aber das Hündchen wieder zum Vorschein kam und bellte, als sie dazu die Klagelaute der Frau im Berge hörte, faßte sie sich ein Herz und drängte sich durch die enge Oeffnung in eine ziemlich geräumige unterirdische Wohnung. Sie fand in dieser die ihr bereits bekannte seltsame Frau und leistete ihr die nothwendige und versprochene Hilfe.

Als die Frau alle Dinge beobachtet hatte, die man hier zu Lande gern beobachtet, und sich von der Wichtelfrau, die sich wie ihr Kind in leidlichem Zustande befand, beurlauben wollte, sagte diese, nachdem sie ihr auf die verbindlichste Weise gedankt hatte: »Ich bin eine arme Frau und kann Euch nicht lohnen, wie ich es wohl zu thun wünschte; indessen thut mir den Gefallen und nehmt etwas von dem Wenigen, was ich Euch anbieten kann, zu meinem Andenken.« Hierauf überreichte die Wichtelfrau der Bäuerin einen schweren Stein, den dieselbe, um nicht unhöflich zu sein, mit nach Hause nahm. Es war schon spät geworden und ihr Mann war indessen zur Ruhe gegangen. Als sie ihm am nächsten Morgen das seltsame Erlebniß mittheilte, wollte dieser behaupten, sie erzähle ihm lediglich einen Traum der Nacht, und war ihm der Stein, den die Frau vorzeigte, kein überzeugendes Beweisstück. Dieser Stein, dem man weiter keinen Werth beilegte, blieb übrigens vor dem Fenster liegen, bis ein vorübergehender Glaser die einfältigen Leute auf den seltnen Glanz desselben aufmerksam machte, so daß der Bauer, als er nach Cölln gehen mußte, ihn hier und dort vorzeigte und dabei zu seinem freudigen Erstaunen erfuhr, daß er einen Klumpen Goldes so nachlässig vor's Fenster gesetzt habe. Als er indeß einmal den Werth des Geschenkes erkannt hatte, war er allerdings geschickt genug, dasselbe gut zu verwerthen, und zog dann bald in eine entfernte Gegend, in welcher er sich ein ergiebigeres Landgut kaufte und machte durch sein Glück alle Welt auf die Wunder des Isholzes aufmerksam.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 23-24.
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