32. Der wunderthätige Anno zu Siegburg.

[39] (Nach der Vita S. Annonis B. II. C. 1 erzählt von Görres, Gesch. d. christl. Mystik. Bd. II. S. 573 etc.)


Als eines Tages der im Jahre 1083 heilig gesprochene Erzbischoff Anno von Cölln zu Siegburg war, ward einer der dortigen Mönche sehr krank. Da nun weder Hilfe noch ein Mittel zur Stelle war, welches den Kranken hätte Hoffnung zur Genesung geben können, so sandte der Erzbischoff einen schnellen Läufer nach Cölln mit dem Befehle, ihm den Arm des Märtyrers St. Georg ohne Verzug herüber zu bringen, indem er versicherte, dem Kranken werde gewißlich geholfen sein, wenn er etwas von dem Oele, in dem die Reliquie bewahrt werde, zu sich nehme. Es geschah, wie er geboten, und als ihm die Kapsel mit dem Arme gebracht wurde, fragte er nach dem Schlüssel, um sie zu öffnen. Dem Boten fiel aber nun zu seinem großen Verdruße ein, daß er ihn, da Niemand seiner erwähnt, zu Cölln gelassen. Als der Erzbischoff aber darauf, wie zum Versuche, mit zweien Fingern das Schloß leicht erschütterte, hörten die Anwesenden bei der ersten Berührung innen einen klirrenden Ton, wie er durch ein scharfes Drehen eines Schlüssels hervorgebracht zu werden pflegt, wobei die Riegel des Schlosses sogleich aufsprangen. Da sie dies aufs Deutlichste mit ihren Ohren vernommen, waren sie nicht wenig erstaunt, den heiligen Mann also die Dienste des Schlüssels bei der Oeffnung selbst verrichten zu sehen. Wie es scheint, war es jener von ihm ausgehende Zug, der hier waltete, und der Elastizität der Feder entgegenwirkend den Riegel zurückgeschoben hatte, wie man etwa vermittelst eines starken Magneten, wie einer Springwurzel sich bedienend, Schlösser eröffnen könnte.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 39-40.
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