90. Der Hirtenknabe zu Fliessem.

[105] (Poetisch behandelt von Laven S. 235 etc.)


Einst weidete ein armer Hirtenknabe bei Fliessem in der Nähe von Trier eine kleine Schafheerde, da fiel es ihm ein, wie arm er sei und wie seine Eltern kaum Salz auf's Brod hätten und wie er doch wünsche, daß auch ihm jene weiße Frau erscheinen möge, von der man in dieser Gegend erzählt, daß sie sich häufig vor Kindern sehen lasse und aus dem Körbchen, welches sie am Arm trage, denselben Goldstücke spende. Auf einmal erhob sich vor den Augen des Knaben ein wunderbarer Marmorpalast mit hoher Pforte, dieselbe öffnete sich und herab schwebte die weiße Gestalt auf den vor Schrecken wie eingewurzelt dastehenden Knaben zu, reichte ihm ihr Körbchen voll Goldstücke und goldener Früchte und verschwand wieder. Später hat man bekanntlich hier unter der Erde Reste eines marmornen Gebäudes, mit Mosaik-Fußboden, wahrscheinlich von einem Dianentempel herrührend, ausgegraben.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 105.
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