191. Der Teufel zu Neurode.

[200] (Nach Aelurius S. 230 etc. Poetisch behandelt bei Wedekind S. 209 etc. und von einem andern Verfasser ebd. S. 772 etc.)


Im Jahre 1540 hat sich zu Neurode bei Glatz eine wunderliche Historie zugetragen. Es hat nämlich dieses Gut ein gewisser Georg von Stillfried besessen, der mit einer gewissen Rosina von Schaffgotsch aus Hedwigsdorf verheirathet war. Derselbe hatte etliche Gäste auf das sogenannte festum Pantaleonis oder Knoblauchfest gebeten und Alles stattlich darauf zugerüstet. Aber die Gäste blieben länger aus, als er gedacht hatte, da ward der Junker ungeduldig und sagte im Zorn: »Ei so kommen alle Teufel aus der Hölle, wenn kein Mensch kommen will!« Darauf geht er in die Kirche zur Predigt. Unter der Predigt kommen fremde seltsame Gäste in den Hof geritten und befehlen dem Knechte, er solle hin nach dem Junker gehen und ihm sagen, er solle heimkommen, die Gäste, die er gebeten, seien gekommen. Der Knecht zeigt's dem Junker an, dem wird angst und bange, er erinnert sich seiner Rede, und fragt darauf den Pfarrer, was er thun soll. Der Pfarrer räth ihm, er solle alsbald mit seinem Gesinde aus dem Hause weichen. Dies ordnet der Junker an und indem Jedermann, Knecht und Mägde in Furcht und Schrecken davoneilen, vergessen sie des kleinen Kindes, welches in der Wiege schläft. Die Teufel fangen an zu fressen, zu saufen, zu schreien und in allerlei wunderbarlichen Gestalten, als Löwen, Bären, Katzen, Wölfe etc. zum Fenster hinauszusehen, das Gebratene, die Fische und Anderes zu weisen, daß es der Junker, Pfarr und Nachbar sehen. Indem fällt es dem Junker ein und er fragt: »Wo ist das Kind?« Kaum hat er das Wort ausgeredet, siehe da trat ein langer, schwarzer, häßlicher Geist zum Fenster und trug das Kind auf den Armen, gleichsam als wenn er es den Eltern weisen wolle. Der gute Junker weiß nicht, wo er sich vor Angst und Schrecken wegen seines lieben Kindes hinwenden soll, hatte aber einen alten getreuen Knecht bei sich, den fragte er, was er thun soll. Der Knecht sagt: »Junker, ich will mich dem lieben Gott empfehlen und im Namen des Herrn hingehen und sehen, daß ich mit Hilfe Gottes dem Teufel das Kind nehmen möge.« Der Junker ist damit wohl zufrieden. Darauf läßt sich der Knecht vom Pfarrer segnen und mit den Andern über sich beten, geht in das Haus bis vor das Gemach, worin die Teufel waren, knieet nieder und betet abermals und befiehlt sich dem Schutze des Allerhöchsten, macht hernach die Thüre auf und sieht da beisammen einen ganzen Haufen Teufel, die dasitzen, gehen, stehen, kriechen und schreien: »Hui, hui! was willst Du hier, was willst Du machen?« Der Knecht geht schwitzend und schweigend und doch auf Gottes Hilfe bauend getrost auf den Teufel zu, der das Kind trug und spricht ihn mit Ernst an: »Hörst Du Teufel, gieb mir das Kind!« – »Nein«, spricht der Teufel, »das Kind ist mein, gehe hin zu Deinem Junker und sage ihm, er soll selbst herkommen und das Kind holen.« Darauf sprach der Knecht: »Ich bin jetzo in meinem Beruf, darin mich Gott gesetzt hat, und weiß, was ich darin thue, daß Gott, meinem Vater, dies angenehm ist; deshalb nehme ich im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des h. Geistes jetzo das Kind von Dir und bringe es wieder seinem Vater!« Darauf greift er zu, reißt das Kind vom Arme des Teufels und obwohl[201] die Teufel gegrunzt, gemurrt, geschrieen und gedräuet haben, ihn ihn Stücken zu zerreißen, so ist er doch unbeschädigt davon gegangen und hat das Kind seinem Herrn wieder zugestellt.

Mehrere Jahre später44, als bei dem Knoblauchfeste abermals viele Gäste auf dem Schlosse zu Neurode versammelt waren, und nach der Mahlzeit die Becher fleißig in der Runde gingen, kam auch die Rede auf den Teufelspuk, worauf der Burgherr in tiefes Schweigen versank. Da brach Herr Heinrich Stillfried, der Aeltere, auf Steine, in ein lautes Gelächter aus, in welches mehrere der Tischgenossen dermaßen einstimmten, daß der ganze Saal erbebte. Verwundert und fragend blickte der Burgherr um sich und erfuhr nun, daß man sich damals nur in guter Absicht zur Ausführung dieses außerordentlichen Scherzes vereinigt habe, um Herrn George für sein gotteslästerliches Fluchen zu bestrafen und ihm dasselbe abzugewöhnen, worauf dieser nach kurzem Bedenken seinen Freunden dankbar die Hand schüttelte, und auch wirklich bei ihm Reue erfolgte, denn es hat der Ritter Georg von Stund an seine üble Gewohnheit des Fluchens gänzlich abgelegt. Der große Rittersaal im Schlosse zu Neurode, der im zweiten Stock nach Abend zu gelegen ist, jetzt aber seine ursprüngliche Bedeutung als Saal verloren hat, ist noch lange der Teufelssaal genannt worden.

44

Dies nur bei Wedekind S. 212.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 200-202.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band