l) Rübezahl verehret einer bedürftigen Frauen Gold-Blätter.

[316] Es kommt ein alt Weib, ein armes Weib, und suchet auch Kräuter und Wurzeln, und verirret sich im Walde. Der Geist kommt in eines Jägers Gestalt zu ihr. Die Frau bittet ihn, er solle ihr nur den rechten Weg sagen, wo sie nach Giers-Dorf zu gienge, sie hätte kleine unerzogene Kinderlein, und hätten in etlichen Tagen kein Brod gehabt, daß sie könnte zu ihnen wieder heimkommen, und die Wurzeln zu Gelde machen. »Die Wurzeln sind dir zu schwehr, wirf sie weg, ich wil dir ein Kraut weisen, das nimm, und trage es in die Stadt, es wird dir mehr gelten, als die schwehren Wurzeln.« Die Frau will nicht, sondern behält ihre Wurzeln. Dieser aber spricht, sie solle von diesem Strauche Laub mitnehmen, es würde ihr mehr gelten, als die Wurzeln, streift ihr auch solches selbst ab, und gibt es ihr in den Korb. Die gute Frau gehet also fort, denckt aber, was ist dir das Kraut nütze? und schüttet es hinweg. Als sie zu Hause kommt, so nimmt sie die Wurzeln herauß, da kleben noch etliche Blättlein an dem Korbe, solche weiset sie den Leuten im Hause, und saget, es hätte ihr diese ein Jäger im Walde gegeben, sie solle sie mitnehmen. Als sie darvon redet, werden sie alle zu Golde, und ist ein jedes Blat ein Ducaten gewesen. Die gute Frau denckt, sie weiß die Stelle noch wol, wo sie solche außgeschüttet, gehet hin, suchet, findet aber weder Ohrt noch Blätter. Hätte sie sie zuvor behalten, so wäre sie eine reiche Frau worden. Drumb ist manchem ein Glück bescheehrt, er verschertzt es aber wunderlich.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 316.
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