336. Das liebeskranke Mädchen zu Sorau.

[391] (S. Magnus, histor. Beschreib. v. Sorau. Leipzig 1710 in 4. S. 75.)


Eine vornehme Jungfrau zu Sorau ward krank und mußte geschröpft werden. Man berief einen Badergesellen und dieser setzte ihr die nöthigen Schröpfköpfe. Aber kaum hatte sich dieser Mensch entfernt, so merkte die Jungfrau, daß er es ihr angethan hatte und daß sie von demselben nicht mehr lassen könne. Sie schnitt sich selbst in den Finger, um dadurch Gelegenheit zu haben ihn wiederzusehen und ward vollständig liebeskrank, zum großen Herzeleid ihrer Eltern. Dieselben wandten sich nun an den wegen seiner geheimen Künste berüchtigten Magister Streuber, der im Jahre 1573 Superintendent zu Sorau ward, und dieser ließ sich auch bereit finden, der Jungfrau einen Trank zu brauen, der das Gegentheil bewirken und sie von dem Liebeszauber heilen sollte. Aber die Arznei wirkte auf andere Weise, die Jungfrau ward todtkrank davon und starb nach wenig Tagen, also daß sie freilich von dem ihr angethanen Bann für immer befreit war.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 391.
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