398. Der hochgelobte Adel in Pommern.

[450] (S. Dähnert, Pommersche Bibl. Bd. V. H.V. S. 174.)


Unter den reichen Bürgern der Pommerschen Städte giebt es ein Sprichwort, das heißt: »Dafür haben wir den hochgelobten Adel!« Das soll von folgender Begebenheit entstanden sein.

Einst reisete ein Ehepaar von sehr altem Adel, aber desto geringeren Besitzthümern zu Fuß durch Pommern und kam in ein Wirthshaus. Sie setzten sich an den Ofen und verzehrten ihr mitgebrachtes Abendbrod, das aus Brod und Knappkäse bestand. Bald darauf kam eine Kutsche, aus der eine reiche Bürgerfamilie ausstieg. Diese traten auch in die Wirthsstube, ließen sich aber einen Tisch decken und verzehrten auf diesem ihr Abendbrod, welches aus kaltem Braten, Kuchen, Wein und andern Delicatessen bestand. Als dies der arme Edelmann am Ofen sah, da sprach er aus Neid zu seiner Frau: »Sieh! wie sich das Bürgerpack traktiren kann.« Die Edelfrau aber tröstete ihn mit den Worten: »Dafür haben wir den hochgelobten Adel!«

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 450-451.
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