402. Bogislaus X. zu Rügenwalde und Hans Lange.

[452] (S. Berckenmeyer I. S. 693. Kantzow, Pomerania Th. II. S. 153 etc.)


Bogislaus X. hatte eine schlechte Erziehung von seiner Mutter Sophia empfangen, die ihn mit nach Rügenwalde, das eine durch ihren Lachsfang berühmte Stadt in Hinterpommern ist, nahm und ihn dort mit den Gassenjungen in einer elenden Jacke herumlaufen und ihm nicht einmal ordentliche Schuhe machen ließ, so daß oft die bloßen Zehen aus denselben herausguckten. Sie selbst aber hielt einen prächtigen Hof und ließ es sich mit ihrem Buhlen, dem Hofmeister Hans Massow herrlich wohl sein. Nun wohnte aber damals nicht weit von Rügenwalde im Dorfe Lantzke ein Bauer, Hans Lange, ein vermögender Mann. Wenn dieser nun in die Stadt kam und Bogislav und seinen Bruder Casimir so zerlumpt und liederlich herumlaufen sah, da empfand er inniges Mitleid mit dem Prinzen und redete ihn eines schönen Tages an und fragte ihn, warum er sich das gefallen lasse und ob er nicht daran denke, daß er aus fürstlichem Geblüte sei? Dies verdroß aber den jungen Bogislav und derselbe fragte ihn, was ihm dies angehe, er werde ihm doch nichts geben. Da sagte aber der Bauer: »O ja, es sei ihm nicht gleichgültig, wenn sein künftiger Gebieter nicht einmal ordentliche Kleider und Schuhwerk anzuziehen habe. Er wolle ihm auch gleich dazu verhelfen. Er solle hingehen zu seiner Mutter und diese bitten, sie solle ihm Hans Lange zu Lantzke zu seinem Bauer geben, dann werde er seine Pacht und Zinsen an ihn bezahlen und er könne sich nun alles davon kaufen, was er brauche.« Das that der kleine Prinz auch und nachdem seine Mutter ihn wirklich Hans Lange geschenkt hatte, da ging dieser mit ihm zu einem Gewandschneider und nahm ihm Lundisch Tuch zu Rock und Hosen, kaufte ihm auch Barchend zu einem Wamms und ein Paar neue[452] Schuhe und staffirte ihn so anständig heraus, daß er nun eher wie ein Herzogssohn aussah.

Mittlerweile starb aber sein Vater Herzog Erich zu Wolgast (1474) vor Gram über seine ungetreue Frau und nicht lange darauf starben ihm seine beiden ältesten Söhne, Wratislav und Casimir, wahrscheinlich von ihrer eigenen Mutter vergiftet, nach und nun war auch wahrscheinlich Bogislav das Brod gebacken73, wenigstens wollte die verwittwete Herzogin als seine angebliche Vormünderin das Regiment an sich reißen. Da kam Hans Lange abermals zur Stadt und rieth dem Prinzen zu entfliehen und sich zu seinem Oheim Wratislav zu begeben, der ihm rathen werde, was er thun solle, er verschaffte ihm auch ein Pferd mit Zubehör, ein Schwert und was er sonst noch brauchte. Damit ritt dieser denn nach Vorpommern zu seinem Onkel Herzog Wratislav, nachdem sich unterwegs an die dreihundert von Adel zu ihm gefunden hatten. Sein Oheim aber rieth ihm nach Rügenwalde aufzubrechen und seine Mutter gefangen zu nehmen und selbst das Regiment in die Hand zu nehmen. Dies that er auch, unterwegs fanden sich aber noch sehr viele von seinen Lehnsleuten und Dienstmannen zu ihm, so daß seine Mutter Angst bekam und seine Ankunft nicht abwartete, sondern noch eher nach Danzig mit ihrem Buhlen und Schätzen floh. Der junge Herzog übernahm nun die Regierung und berief Hans Lange zu sich und hieß ihm sich von ihm ausbitten, was er wolle, er solle Alles bekommen. Derselbe aber verlangte nichts und bat nur, daß er Zeit seines Lebens frei sein möchte von aller Unpflicht. Als ihm aber der Herzog dies auch für seine Kinder anbot, wies er es von sich und sagte, seine Kinder möchten nur Bauern bleiben, wenn sie sich wohl schickten, könnten sie keinen bessern Stand haben. Er behielt aber stets bei Hofe freien Zutritt und durfte den Herzog nach wie vor Du nennen. Wenn aber dieser Jemand absetzen wollte, so widerrieth es Hans Lange und sagte: »Du wirst ja einen nicht abschaffen, den wir Bauern bis hierher gefüttert haben, und wirst uns dafür eine hungrige Laus in den Pelz setzen, die uns aufs Neue das Blut aus dem Leibe saugt.«

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Man sagt, seine Mutter habe ihm einst mit eigener Hand ein Butterbrod geschmiert, und da sei ihr Hofnarr, als er es gerade habe essen wollen, zu ihm getreten und habe ihm gesagt, er solle es dem Hunde geben, es sei unrein. Bogislav that dies auch, stellte sich als wolle er das Butterbrod vor der Thüre essen, steckte es ein und gab es seinem Hunde, der es fraß und am andern Tage daran starb. Seit der Zeit hat er nie wieder was aus der Hand seiner Mutter angenommen (S. Kantzow, Pomerania Bd. II. S. 160).

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 452-453.
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