490. Der Strand zwischen Swine und Divenow.

[512] (S. Kantzow, Pomerania Th. II. S. 277-279. v. Klempzen, Vom Pommerlande S. 184 etc.)


Der Strand zwischen der Swine und dem Flüßchen Divenow ist immer nicht recht geheuer gewesen. Im Jahre 1500 hat der Herzog Bogislav seinem Kanzler Jürgen Kleist das Amt zu Usedom gegeben und dieser hat deshalb oft über die Swine ziehen müssen. Nun ist er einmal des Nachts von hier nach Divenow zurückgefahren, da hat sich plötzlich der Himmel dermaßen verfinstert, daß man nicht zwei Fuß breit vor sich hat sehen können und Kleist und seine Diener haben nicht mehr gewußt, wohin sie sich wenden sollten. Da hat eine Stimme gerufen: »Hierher, hierher!« Die Knechte wollten sich auch nach der Seite wenden, wo die Stimme herkam, allein ihr Herr, welcher gleich dachte, daß hier ein Teufelsgespenst im Spiele sei, hat es ihnen verboten. Er befahl also, sie sollten nur auf dem Wege, wo sie waren, weiter fahren. Da schrie die Stimme noch lauter als zuvor: »Hierher, hierher!« Als man auch auf diesen zweiten Ruf nicht hörte, kam auf einmal ein feuriger Mann daher, der über seinen nackten Leib einen ganz feurigen Mantel umgehängt hatte. Derselbe kam an den Wagen heran,[512] hielt sich an dessen Lehne fest und lief immer neben demselben her, ohne ein Wort zu sagen, nur sah er Kleist immer unverwandt an. Zuweilen schlug er auch den Mantel auseinander, da konnte man ihm in den Leib sehen, da sah es aus, als wenn zwischen den Rippen ein feuriger Ofen sei. Im Laufen ward das Gespenst aber immer größer und größer und reichte zuletzt bis an den Himmel hinan, als aber durchaus Niemand sich verleiten ließ, mit ihm zu sprechen, so ließ er schließlich von dem Wagen ab, grunzte fürchterlich, schlug seinen Mantel ganz auf und schüttelte ganze Flammensäulen heraus, wie aus einem brennenden Kohlenmeiler, endlich aber verschwand er. Jürgen Kleist und seine Knechte aber haben sich so entsetzt über das, was sie gesehen, daß sie den Schreck viele Tage nicht verwinden konnten. Ein Hund, den sie bei sich hatten, hat sich vor Angst zwischen die Räder geflüchtet und dort gewinselt und geheult, als müsse er sterben. Man sagt, das Gespenst habe dem Kanzler seinen Unglauben gegen das Fegefeuer austreiben wollen.

In späterer Zeit reiste einmal der Edelmann Jacob Flemming auf demselben Strande zur Nachtzeit. Auf einmal fingen seinen Knechten an die Peitschen zu brennen, und als sie das Feuer abschlagen wollten, so flog es in den Wagen, wo Flemming saß, und flog darin herum. Darüber erschrack ein Knabe, der vorn im Wagen saß, dergestalt, daß er unter denselben hinabstürzte. In demselben Augenblicke kam aber eine große feurige Kugel geflogen und fiel ebenfalls unter den Wagen und als nun die Knechte nach dieser stechen wollten, so hätten sie bei einem Haar den armen Knaben gestochen, hätte er nicht früh genug um Hilfe geschrieen. Das Feuer soll aber dem Edelmann, der ein arger Flucher war, eine Warnung gewesen sein, sich vor dem höllischen Feuer zu hüten.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 512-513.
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