700. Der Galtgarb.

[636] (S. Reusch S. 54.)


Der Galtgarb, auf welchem sich jetzt ein Denkmal zur Erinnerung an die Vertreibung der Franzosen aus dem Lande befindet, ist die höchste Spitze Samlands und liegt im Kirchspiele Kumehnen. Hier soll früher die Burg des heidnischen Preußenkönigs Samo gestanden haben und darauf deuten noch wallartige Umzingelungen auf seinem Plateau hin. Früher sah man dort auf dem Gipfel hin und wieder zwei weiße Frauen. Einst traf sie ein Bauer dort, faßte sich ein Herz und fragte sie, ob er etwas für sie thun könne. Sie schienen über diese Frage sehr erfreut zu sein und sagten, wenn Jemand sich getraue mit verkehrtem Wagen und Pferden auf den Berg zu fahren, würden sie erlöst werden, wenn er es aber nicht durchsetze, auf ewig verdammt sein. Der Bauer hielt dies nicht für schwierig, begab sich nach Hause, drehte, wie er glaubte, jedes Stück daran sorgfältig um und schleppte das Fuhrwerk so rückwärts den Berg hinan. Ob nun wohl der Galtgarb damals noch ganz mit Gestrüpp bedeckt war, gelang es ihm doch bis ziemlich auf die Höhe zu gelangen, da hörte er die jammernden Stimmen der Frauen rufen: »Auf ewig verloren! auf ewig verloren!« Er wußte anfangs nicht, wie er dies zu deuten habe, bis er bemerkte, daß er vergessen hatte die Deichsel umzudrehen. Seit der Zeit hat man die Frauen nicht wiedergesehen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 636.
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