812. Der Hund zu Weilburg.

[719] (Poetisch behandelt von Henninger Bd. III. S. 121 etc.)


Hoch über der Lahn erhebt sich auf steilem Felsen das Schloß Weilburg; dort sieht man am Sims das Bild eines kleinen Hundes in Stein gehauen. Hier wohnte einst ein Fürst, der ein Hundchen hatte, welches ihm nie von der Seite wich. Einst aber hatte er sich doch aus dem Schlosse entfernt, ohne dasselbe mitzunehmen, das Thier war vergessen worden und in einem der obersten Zimmer des Schlosses eingeschlossen. Es mochte an der Thür kratzen, wie es wollte, Niemand hörte es und ließ es heraus. Es rannte von der Thür zum Fenster und vom Fenster zur Thür, alles war umsonst, da sah es auf einmal durch das offengebliebene Fenster seinen Herrn im Thale auf dem andern Ufer des Flusses daherreiten, und von Sehnsucht getrieben gleich als ob sein Herr es rufe, sprang es hoch vom Schlosse herab in die Tiefe, schwamm durch den Fluß, lief auf den Fürsten zu, bellte und wedelte wohlgemuth, allein kaum hatte dieser es kosend gestreichelt, da sank es vor Anstrengung todt vor ihm nieder. Zur steten Erinnerung an solche Treue ließ aber der tiefbetrübte Fürst das Bild des Hündchens in Stein hauen und an jener Stelle aufstellen, wo sich das Thier kühn herab aufs Gesimse geschwungen hatte.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 719.
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