947. Klein Frankreich.

[799] (S. Winkelmann Bd. II S. 215.).


Im Hessenlande ist ein Edelmann gewesen, genannt Rolzhausen. Der war in seiner Jugend sehr arm, also daß er zuweilen den Pflug geführt[799] hat. Endlich ist er des elenden Feldlebens überdrüßig geworden und hat gehört, daß eine Trommel gerührt ward und Werber da waren. Als er nun von seiner Mutter Abschied genommen, hat ihm diese achtzehn Turnosen gegeben, welches eine Art Geld im Hessenland gewesen ist, und hat gesagt: »Lieber Sohn, ich habe nicht mehr, ziehe hin, Gott gebe Dir Glück und Segen.« Er ist aber ein tapferer Cavalier geworden und zur Zeit Philipps des Großmüthigen, des Landgrafen von Hessen, im Jahre 1562 mit einer Armee nach Frankreich gekommen, allwo er sich sehr tapfer und männlich gehalten und bei Freunden und Feinden großes Lob erlangt hat. Derselbe hat viele Maulesel mit Kronen beladen ins Hessenland geschickt und hat ein Haus erbaut, welches damals Klein-Frankreich genannt worden ist (Friedelnhausen bei Staufenburg). Nun hat ein Graf von Nassau einmal in einer Krankheit sich eingebildet, er vermeine wieder gesund zu werden, so er einen solchen wohlschmeckenden Roggenbrei bekomme, wie ihn dieser hessische Oberst Rolzhausen, als sie mit einander in den französischen Kriegen gedient, bereitet habe. Dieser Rolzhausen ward nun wirklich aus Hessen abgeholt, richtete zwar einen solchen Brei zu, allein er wollte Sr. Gnaden nicht schmecken. »Ja«, sprach der von Rolzhausen, »Herr Graf, laßt uns zuvor vierzehn Tage Hunger leiden, wie damals in Frankreich geschah, was gilt's, bittere Bohnen werden uns süß schmecken!«

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 799-800.
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