1118. Die Dransfelder Hasenjagd.

[905] (S. Vaterl. Archiv Bd. III. S. 305 etc.)


Spottweise führten sonst die Dransfelder den Namen »Hasenmelker« sowie die Göttinger den der »Eselsfresser«. Hierüber giebt es folgende Sage. Als der Herzog Wilhelm (nach andern Erich 1380?) zur Regierung kam, forderte er von den Göttingern die Zollgerechtigkeit zurück. Diese aber antworteten, sie wollten ihm lieber den Galgen abtreten, der vor ihrer Stadt stehe. Der Herzog nahm den Spott für Wahrheit und um sich von der Absicht der Göttinger zu vergewissern, stiftete er es so an, daß einer von seinen Leuten sich nach Göttingen einschleichen und sich über einen Diebstahl ertappen lassen mußte, indem er es probiren wollte, ob die Göttinger den Dieb wohl an den Galgen hängen würden, den sie ihm statt des Zolles übergeben hatten. Allein diese kümmerten sich nicht darum, sondern verurtheilten ihn zum Aufhängen; da zog der Herzog von Münden mit seinen Leuten herab, um seinen Diener zu befreien. Die Göttinger aber waren gut gerüstet und empfingen ihn so wohl, daß er flüchten mußte. Zum Andenken an diese seine Niederlage errichteten sie bei dem Dorfe Warmsen ein mit einem Kreise umgebenes radförmiges Kreuz, welches noch steht. Er eilte nun nach Dransfeld zu, die Göttinger immer hinter ihm drein, dort aber eilten die Bürger ihm zu Hilfe und schlugen die Göttinger zurück, so daß sich der Herzog wieder nach Münden zurückziehen konnte, während dieser Zeit aber ward sein armer Diener gehenkt. Zum Andenken an diesen Sieg der Dransfelder steht aber heute noch ein Stein vor dem Oberthore der Stadt, auf welchem drei Kreuze eingehauen sind. Aus Dankbarkeit schenkte nun der Herzog den Dransfeldern Stadtgerechtigkeit, den Zoll zu Göttingen und freie[905] Jagd auf ihrem Gebiete. Die Dransfelder wollten nun aber ihre Privilegien auch ausüben und stellten eine große Hasenjagd auf dem hohen Hagen an. Mit Weibern und Kindern zogen sie in großer Prozession hinaus und suchten nach Hasen. Der Müller aus der Pilzmühle, Tönnies Blies, fand endlich einen Esel, der im Walde weidete. Weil derselbe aber große Ohren hatte und er gehört hatte, daß die Hasen lange Ohren hätten, so hielt er ihn für einen mächtigen Hasen und rief seine Mitbürger herbei. Auch diese erkannten einstimmig den Esel für einen Hasen, hielten ihn fest und berathschlagten sich, wie sie ihn schlachten und zubereiten könnten. Während dem aber wurden sie von den Göttingern überfallen, es entstand eine furchtbare Prügelei, in welcher die Dransfelder unterlagen, und Tönnies Blies, der den Hasen, den er gefangen, nicht los lassen wollte und deshalb von einem Göttinger zu Boden geschlagen wurde, rief mit jämmerlicher Stimme um Hilfe und bat seine Mitbürger, sie sollten ihm einen Tropfen Hasenmilch zur Stärkung geben. Es eilte nun einer herbei, melkte den Esel und reichte ihm die Milch, von der er sofort wieder gesundete. Die Göttinger zogen nun mit dem Esel von dannen, da sie aber auch denselben für einen Hasen ansahen, so stellten sie ein großes Fest an, für welches sie ihn schlachteten und verzehrten. Von dieser Zeit an nennen die Göttinger das Dransfeldische Bier Hasenmelk und die Dransfelder dagegen die Göttinger Eselsfreter.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 905-906.
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