1128. Das Kreuz bei Ebstorf.

[912] (S. Neues Vaterl. Archiv Bd. VII. S. 274 etc.)


Noch zu Anfange dieses Jahrhunderts stand an der Grenze des Amtes Ebstorf vor der sogenannten Raubkammer, einer großen herrschaftlichen Waldung, ein hohes Kreuz, welches früher von Zeit zu Zeit von Seiten dieses Amtes erneuert, endlich in Trümmer zerfiel, über dessen Entstehung theils Schrift, theils Sage folgende Nachrichten festgehalten haben.

Zu Bleckede lebte ein Hauptmann Moritz von Zarenhusen, der wahrscheinlich daselbst Beamter war. Dieser wurde im Jahre 1569 vom Herzog Wilhelm dem Jüngern mit vier Höfen belehnt und ihm erlaubt, hier eine Wohnung mit Adelsfreiheit zu erbauen.

Ob dieser Adlige nun wohl noch durch verschiedene andere Schenkungen von dem Herzoge von Braunschweig begnadigt ward, so lebte er doch noch vom Sattel und Stegreif, hielt mit dem Besitzer von Stubeckshorn zusammen und machte die Gegend unsicher. Die Ausübung dieses bösen Gewerbes gereichte ihm aber zum Verderben.

Einst hielt ein Tabuletkrämer aus Uelzen, der mit einem mit einer Plane bedeckten Karren umherzog, bei ihm an und bot ihm seine Waaren feil. Zarenhusen handelte wenig, kaufte viel und bezahlte Alles baar. Dem Krämer fiel indeß das überaus freundliche und gefügige Wesen des Käufers auf, er hatte einen geheimen Befehl an einen Knecht und darauf ein eiliges Hin- und Herlaufen auf dem Hofe wahrgenommen; auch war ihm nicht[912] entgangen, daß Zarenhusen auf die Bemerkung seiner Frau, daß die Waaren zu theuer wären, ihr zugeflüstert hatte: »Wi wilt et wol wedder kriegen.« Voller Besorgnisse kehrte er zu seinem Karren zurück und theilte seinem Knecht seine Verlegenheit mit. Dieser überzeugte seinen Herrn bald, daß dem längst in übler Nachrede stehenden Ritter nicht zu trauen sei und Beide waren auf ihre Vertheidigung bedacht. Unter den geladenen Waaren befand sich ein Paßrohr, Pulver und Kugeln. Geschwind wollten sie dies Gewehr unterwegs in Stand setzen, fanden aber kein Kugelpflaster, ohne welches sie die Kugel nicht herunterbringen konnten. Der Knecht, ein gewandter Bursche, versuchte nun, von einem Stücke Speck eine ganz dünne Scheibe zu schneiden und solche als Kugelpflaster zu gebrauchen. Dies gelang, das Rohr war geladen. Der Herr fuhr, der Knecht mußte, auf dem Wagen liegend, den Weg beobachten. Dieser sah, als sie vor der Raubkammer angekommen waren, in großer Entfernung Staub aufsteigen und benachrichtigte seinen Herrn. Bald darauf kam auch Zarenhusen mit einem bewaffneten Knecht angesprengt. Nach einer zuvor genommenen Abrede ließ der Knecht des Krämers den Ritter so nahe als möglich an den Wagen kommen und schoß ihn vom Pferde herunter. Der Knecht des Moritz von Zarenhusen, welcher seinen Herrn auf diesem Ritt begleitete, soll, wie jener sofort todt zur Erde fiel, nachdem er ausgerufen: »Zarenhusen! Zarenhusen! hebbe ick et nich lange sagt, dat et so kommen wolle«, eiligst davon gejagt sein. Eine abweichende Tradition versichert, Moritz von Zarenhusen sei mit einer Speckschwarte erschossen worden. An der Stelle aber, wo Zarenhusen fiel, wurde das oben erwähnte Kreuz errichtet, der Ort aber bekam von ihm den Namen: »das hohe Kreuz.«

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 912-913.
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