1143. Das Jammerholz.

[925] (S. Harrys, Niedersächs. Volkssagen Th. I. S. 87. Anders bei Hennings S. 70 etc.)


Zwei Stunden von Dannenberg liegt das Dorf Jamel, zu dem gräflich Groteschen Gute Breese gehörig, das seinen Namen von dem Walde erhalten hat, der dort in grauer Vorzeit gelegen war und das Jammerholz genannt ward. In diesem Walde haben, einer alten Volkssage nach, die Wenden ihre bejahrten zur Arbeit nicht mehr fähigen Eltern erschlagen. Eines Tags, als diese grausame That an einem schneeweißen Greise, der gebunden und jammernd an der Erde lag, vollführt werden sollte, kam eine Herzogin von Cöln des Wegs gezogen und hörte den Klageruf. Sie drang in das Gebüsch und sah den Alten und neben ihm etliche kräftige junge Männer, mit rauhen Fellen bedeckt. Sie sagten, als die Herzogin fragte, weshalb der Greis so kläglich jammere, es sei ihr alter Vater, der nicht mehr zum Leben tauge, deshalb wollten sie ihn todtschlagen. Die Herzogin ermahnte nun die Männer, von ihrem grausamen unnatürlichen Vorhaben abzustehen, diese aber sprachen wieder: »Was soll ein Mensch auf der Welt, der sich[925] und allen Andern nur Last und Schaden bringt? Seht Ihr den Rost an dieser Axt? Das ist von seines Vaters Blut, den er selbst auch erschlagen hat. Und so werden unsere Söhne, wofern wir zu hohen Jahren kommen, dermaleinst uns wieder tödten.« Die Herzogin ließ nun den Söhnen Geld geben, davon sie ihren Vater erhalten sollten. Sie nahmen es und sagten, »so lange das Geld ausreiche, könne ihr Vater leben, länger nicht.«

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 925-926.
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