2.

[38] Es wallt ein düst'rer Pilger

Durch afrikanischen Sand,

Ein schmales Bündel am Rücken,

Den Knotenstab in der Hand.


So weit sein Ruf auch töne,

Kein Ruf, der wiedertönt!

So weit sein Herz sich sehne,

Kein Herz, das nach ihm sich sehnt!


Bei Gräbern und Pyramiden

Verweilt er gar manche Zeit!

Es mahnt die verwitterte Inschrift

Ihn schöner Vergangenheit.


In staub'gen Papyrusrollen

Liest er das Aug' sich fast blind,

Und liest und enträthselt die Kunde

Von Lenzen, die nimmer sind.


Gern möcht' er in Tempeln beten,

Nur Trümmer findet er mehr!

Altäre und Götter liegen

Zerstückelt am Boden umher.


So wankt er sinnend weiter

Durchs weite, wüste Land;

Rings über ihm glühender Himmel,

Rings um ihn glühender Sand.
[39]

Kein Quell, der ihn erquicke,

Kein Baum, der Schatten streut,

Kein Moos, darauf er schlumm're,

Kein Strauch, der Früchte beut! –


Wer hätt' in dem finstern Wandrer

Den fröhlichen Knaben erkannt,

Der einst so selig gelagert

Am blüh'nden italischen Strand?

Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke, Band 1–4, Band 1, Berlin 1907, S. 38-40.
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Gedichte
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