2.

[122] Es kam der Herbst. Zu jedem Sonnenstrahle

Sprach ich: Was lachst du mir? Zieh' hin, vermähle,

Du Klarer, dich der kranken Freundesseele,

Ihm keltre du den Heiltrank in die Schale.


Der Winter kam. Ich bat ihn: Mir nicht male

Die Wangen roth, nicht mir die Sehnen stähle!

Den kranken Freund dir zur Verjüngung wähle,

Härt' ihm den Leib, der Rüstung gleich von Stahle.


Es kam der Lenz. Ich sprach: Nicht mich umschmeichle!

Die schwarzen Locken aus den Augen streichle

Dem kranken Freund, und seine Stirne kühle!


Das Schönste deiner Flur sollst du erlesen,

Ans Herz ihm legen Blumen der Gefühle,

Und kann er's, wird an ihnen er genesen.


Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke, Band 1–4, Band 2, Berlin 1907, S. 122.
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