7.

[17] »War einst ein König, der hielt liebumfangen

Den Leib der Königin, der schönen, jungen!

Ob Aug' in Aug' und Hand in Hand auch hangen,

Er hätte gern noch fester sie umschlungen!


Des Gartens Rosen formt er da zur Kette,

Die hält ihr Haupt in süßer Haft umwunden.

So ward aus Rosen einst die erste Kette,

So ward von Liebe einst die Kett' erfunden.


Zwei Königskinder sind's, die dort zu Ringen

Der Wiesenblumen schlichte Halme runden,

Mit solchen Fesseln spielend sich umschlingen;

Und so hat Lieb' die Kette fortgewunden.


Den Tempel sieh', wo Priester um die Wette

Mit Myrth' und Ros' Altar und Säul' umwunden!

So hat die Liebe fest mit ihrer Kette

Den Himmel an die Erde schön gebunden.


Todt sind das Königspaar, die Kinder, Priester!

Doch Kränze ihren Aschenkrug umkosen!

So band den Staub des Grabes, welk und düster,

Der Liebe Kette an des Lebens Rosen.
[18]

Da sah der Haß, wie Lieb' erfand die Kette,

Das, was sie liebt, noch fester zu umwinden!

Er formt – aus Erzesblüthen – nach die Kette,

Noch fester, was er haßt, an sich zu binden!


Doch von Guirlanden scheint mein Arm umwunden,

Gleich Blumen flüsternd mir die schöne Mähre:

Wie selbst im Haß ein Fünkchen Lieb' entzunden,

Wie selbst der Haß bei Lieb' einst ging in Lehre.«


Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke,Band 1–4, Band 3, Berlin 1907, S. 17-19.
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