Dritter Auftritt.


[102] Savage allein.


SAVAGE. Ich schäme mich, es offen zu sagen; in diesem Augenblick bin ich ein Kleiderschrank; mein Kopf ist ganz mit Gegenständen der Garderobe angefüllt –; ein Billett an den königlichen Schneider auf dem Westminstersquare. Ich muß mich in eine modische Kleidung werfen! Kredit soll man mir schon gewähren, da ich ja Er schreibt. – sagen werd' ich es nicht – aber mit einem stolzen, zuversichtlichen Blicke zeigen – – der Sohn – – meiner Mutter bin! Auch eine anständige Wohnung werd' ich mieten, um sie nicht zu betrüben, die nur an Glanz gewöhnte Frau. Sie soll nichts davon wissen, daß ich mir im Winter oft nur – durch den prometheischen Funken meiner Phantasie[102] einheizen konnte. Im Schreiben. Nichts erschien mir von jeher schändlicher, als mit seiner Armut andern Leuten dicht unter die Augen treten und sie in der Harmlosigkeit ihres Daseins durch einen Jammer stören, dem sie nicht immer abhelfen können! – Diesen Brief an den Hebräer Matthews, dem ich – er ist verschwiegen wie ein Beichtvater – meine Papiere gezeigt habe – ich brauche Geld; meine Mutter wird ihre Schatulle öffnen und sagen: Richard wähle; Gold, Silber oder Papier, was dir besser gefällt! – – Und diesen Zettel an die Wirtin Zum goldenen Kamm, wo ich genug geschoren wurde; sie soll ihre Rechnung machen, nie wieder werd' ich in ihre räucherige Höhle kommen und mich an dem Anblick von Matrosen ergötzen, mit denen ich nur umging, um mich zu trösten, daß ihre Verworfenheit doch noch tiefer stand als – – mein Elend! Steht auf. Wie hat sich das nun alles verändert! Ich trete wie aus dem dunklen feuchten Schacht einer Kohlengrube an das helle Tageslicht der Sonne, und meine Augen – zucken mir noch, da sie an so viel Glanz, Hoffnung und selige Gewißheit nicht gewöhnt sind. Wie wird sie mir Mut zusprechen müssen, die herrliche Frau, wenn ich vor sie treten und nichts werde stammeln können – als: Mutter! Sie wird denken müssen für mich, handeln für mich, reden für mich, ich werde nur lachen und weinen können – – – Und komm' ich denn auch so elend, wie der boshafte Neid des Schicksals es wollte? Ich habe meine Widerwärtigkeiten durch mein Talent übersprungen und lege ihr einen Lorbeerzweig unangetasteten Dichterruhmes zu Füßen und kann sagen: So klomm ich in die Höhe, nicht ahnend, wem dereinst zur Ehre! Ich schenk' ihr nicht einen jungen Wüstling aus Bath, dem tausend Gläubiger die Haare seines Hauptes gezählt haben, und der noch mehr durch geistigen Bankrott erschöpft an der Schwelle ihres Hauses niedersinkt; ich schenk' ihr nicht einen Klotz von Menschen, den die Natur fleischfarben anstrich und auf dem Rücken mit irgendeinem obskuren Namen stempelte, damit er nicht mit andern verwechselt werde. Sie wird meine Schriften kennen, sie wird wissen, was Steele, Addison, Johnson über mich geschrieben haben; sie wird wissen, daß ich nicht zu den Schriftstellern gehöre, die, um genial zu erscheinen, nur ihre Empfindungen mit wahnwitziger Konsequenz durchsetzen oder sie, um sie wahrscheinlich zu machen, mit den Lackfarben einer schreienden Natur überpinseln, oder wohl gar zu solchen, die mit dem Zwerchsack ihres Selbstlobes von einem Journalisten zum andern betteln gehen und weniger für ihren Ruhm als – an ihm arbeiten – Ich halte mich nicht länger. Diese Billette besorgt und dann[103] hin zu ihr! Noch heute muß ich die Trauerkränze, die über meinem vermeintlichen Grabe in ihrem Gedächtnisse hängen, mit Rosen der Freude vertauschen und aus allen Tränen, die sie um meinen Vater und um mich geweint hat, eine Perlenschnur zaubern, die uns alle wie eine diamantene Fessel auf ewig umschlingen soll! Ab.


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 102-104.
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Richard Savage, Sohn einer Mutter
Dramatische Werke: Richard Savage; Oder, Der Sohn Einer Mutter Ottfried. Wullenweber. Der Dreizehnte November. Fremdes Glück (German Edition)