Dritter Auftritt.


[114] Savage allein.


SAVAGE im Mantel, zu den Fenstern aufblickend. Es ist sieben Uhr. Mögen sie mein Stück im Theater vierteilen, mögen sie den toten Rumpf dem Publikum zum Gelächter hinwerfen, das Erhabene gespreizt, die Tugend wie ein Landmädchen, das Schöne wie eine Kokette geben und meine Verse wie kleine Kieselsteine im Mörser ihres hohlen Pathos zerstampfen – mich kümmert's nicht. Schon seit einer Stunde harr' ich hier vergebens und sehe nicht, daß sie einer Schöpfung ihres Sohnes die Teilnahme schenkt und nach Drurylane fährt. Ach, das, nur das wollt' ich abwarten – –! Sie geht nicht –! Sich selbst Mut gebend. Vielleicht will sie warten, bis »Overbury« im Druck erschienen ist. Vielleicht ängstigt sie das Gefühl, daß man um das Schicksal[114] meiner Arbeit besorgt sein könnte – sie fürchtet einen unglücklichen Erfolg – sie mit ihrem französischen Geschmack –! Könnt' ich ihr den Sinn für die echte Natur abgewinnen! Sie hat zu viel Verstand, um in solchen Dingen ganz verständig zu sein – – –

Nichts regt sich im Hause. Wagen rollen dort genug, die sich beeilen, an das Portal des Theaters zu kommen; hierher lenkt keiner ein –! Und ich lasse mir's nicht nehmen – sie ist, sie ist erweicht! Sie ist überwunden! Sie zittert jetzt oben – bis sie erfährt, wie in Drurylane alles abgelaufen –! Man nennt sie kalt – sie hat mich abgewiesen – sie will mich nicht für ihren Sohn anerkennen – Es ist hart, aber ich bewundere ihren Charakter. Es ist in ihm, wie in Hamlets Wahnsinn, doch Methode. Ich bin ihr zu schroff gegenübergetreten. Wohl will das ertragen sein, wenn die Toten auferstehen. Wer würde nicht erschrecken, wenn er plötzlich ein Grab geöffnet sähe! Sie ist hart, weil sie großen Geistes ist! Ihr Gemüt steht unter der Herrschaft einer vielgeprüften Welterfahrung und eines ihr vielleicht durch bittere Entdeckungen zur andern Natur gewordenen Mißtrauens! O, was werd' ich ihre Begriffe vom Leben läutern, ihr das Buch der Natur und wahren Schönheit aufschlagen und alle Geheimnisse desselben entziffern müssen; ja, ja, Mutter, du sollst in Morgen- und Abendstunden einst noch meine Schülerin werden, du wunderliche, spröde Frau! –

Horch, es geht eine Tür drinnen! Lauscht. Es war nichts. Mich friert – ich vergaß zu essen Zieht ein Beutelchen hervor. Goldstücke – aber sie gehören – ha! Sieht den Bedienten. Dem vielleicht –?


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 114-115.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Richard Savage, Sohn einer Mutter
Dramatische Werke: Richard Savage; Oder, Der Sohn Einer Mutter Ottfried. Wullenweber. Der Dreizehnte November. Fremdes Glück (German Edition)