Erster Auftritt.


[81] Eversmann schnupft mit Behaglichkeit aus einer Dose. Zwei Trommler der Garde. Darauf Fräulein von Sonnsfeld.


DIE TROMMLER schlagen dicht an der vordern Tür links, die zur Prinzessin führt, einen Wirbel.

FRÄULEIN VON SONNSFELD aus dieser Tür blickend. Es ist schon gut.

TROMMLER schlagen einen zweiten Wirbel.

SONNSFELD wieder hervorsehend. Wir wissen schon, sag' ich.

EVERSMANN winkt zum drittenmal.

TROMMLER schlagen einen dritten langen Wirbel.

SONNSFELD tritt nun unwillig heraus und spricht, nachdem der Lärm vorüber. Es ist nicht zum Aushalten. Die Nerven möchten einem zerspringen. Linksum, vorwärts marsch! – Hinaus mit euch, auf den Exerzierplatz, wo ihr hingehört! Trommler sind inzwischen trommelnd abmarschiert. Nachdem es still geworden. Eversmann, Sie sollten sich schämen, daß Sie den König nicht endlich auf die Achtung aufmerksam machen, die den Damen gebührt.

EVERSMANN. Gnädiges Fräulein, ich befolge die Befehle unsers königlichen Herrn. Sintemal das Zuspätaufstehen ein Laster der heutigen Jugend ist, wird jeden Morgen um sechs Uhr vor den Zimmern der königlichen Prinzen und Prinzessinnen die Reveille geschlagen.

SONNSFELD. Prinzessin Wilhelmine ist den Kinderschuhen entwachsen.

EVERSMANN. Gerade dann hat man des Morgens die süßesten Träume.

SONNSFELD. Träume von unserer endlichen Erlösung, von Verzweiflung, vom Tode –

EVERSMANN. Oder von Heiraten und – dergleichen –

SONNSFELD. Nehmen Sie sich in acht, Eversmann! Der[81] Kronprinz hat endlich seine Freiheit errungen und führt in Rheinsberg ein pünktliches, ein genaues Tagebuch über alles, was in Berlin und in den Umgebungen seines gestrengen Herrn Vaters vorgeht. Man weiß, daß Sie den König mehr beherrschen als die Minister.

EVERSMANN. Wenn das dichterische Gemüt des Kronprinzen, des übrigens innigst an mich attachierten Fritz, nicht schärfer sieht, dann hab' ich wenig Respekt vor der Einbildungskraft der Poeten. Ich und Einfluß! Ich drehe Sr. Majestät jeden Morgen seinen stattlichen Zopf, stutze ihm seinen männlichen kräftigen Bart, stopfe ihm jeden Abend seine kleine gemütliche holländische Pfeife, und was bei diesen kleinen unschuldigen Handleistungen die geheiligte Person des Königs an Winken und Äußerungen und kleinen Befehlen fallen läßt – das allerdings –

SONNSFELD. Heben Sie auf und haben sich daraus einen »kleinen unschuldigen Einfluß« geschmiedet, der Ihnen bereits drei Häuser, fünf Landgüter und eine Kutsche mit vier Pferden eingebracht hat. Hüten Sie sich, daß der Kronprinz alle diese schönen Gegenstände nicht dermaleinst unter dem Galgen versteigern läßt.

EVERSMANN. Hören Sie, Sie haben schlecht geschlafen, mein Fräulein! Ich verbitte mir solche aus der Luft gegriffene – Manieren von – Weissagungen und Prophezeiungen. Se. Königliche Hoheit der Kronprinz sind viel zu sehr Philosoph, als daß sie sich an einem Manne rächen sollten, der mit seinem Vater nichts anders zu tun hat, als Sr. Majestät jeden Abend eine Pfeife zu stopfen, jeden Morgen einen Zopf zu drehen und ihn einen Tag um den andern nach alter deutscher Sitte über den Löffel zu balbieren. Haben Sie mich verstanden? Ab.

SONNSFELD allein. Geh' du nur, du alter Sünder! Stell' dich noch so ehrlich und deutsch! Wir kennen dich und alle deinesgleichen! Das ist ein Leben an diesem Hofe! Des Morgens schon in der Frühe donnern die Kanonen unten im Lustgarten dicht unter den Fenstern des Schlosses, oder sie schicken uns eine Kompagnie Soldaten herauf, um uns das Frühaufstehen anzugewöhnen. Nach dem Gebet muß die Prinzessin stricken, nähen, Wäsche bügeln, den Katechismus auswendig lernen, ja, täglich! eine langweilige Predigt hören. Mittags bekommen wir so gut wie nichts zu essen; dann hält der König seinen Mittagsschlaf, und obgleich er fortwährend so gespannt mit der Königin lebt, daß sie sich kaum einen guten Tag gönnen, so muß doch die ganze Familie dieser melodischen allerhöchsten Schnarchunterhaltung[82] mit beiwohnen, ja sogar eigenhändig bedacht sein, dem schlummernden Papa Landesvater die Fliegen fortzuwedeln. Ohne den natürlichen Witz und den Geist meiner Prinzessin müßte das herrliche Wesen bei einer solchen Lebensweise längst verwildert sein. Ja, wenn der König wüßte, daß sie sich heimlich eine Anzahl französischer Brocken aufgelesen und notdürftig gelernt hat, ein artiges Billettchen zu schreiben – ... Ich höre sie kommen.


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 2, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 81-83.
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