Fünfter Auftritt.


[88] Die Königin, begleitet von zwei ihrer Hofdamen. Fräulein von Sonnsfeld. Später der Erbprinz.


KÖNIGIN winkt den Hofdamen. Diese gehen ab. Sie setzt sich. Meine Tochter schon auf? Ich habe die Nacht wieder so angestrengt gearbeitet, daß ich noch ganz ermüdet bin. Diese leidige Politik! Haben Sie nicht Kamke gesehen?

SONNSFELD. Ihrer Majestät Kammerdiener? Nein, Majestät!

KÖNIGIN. Er bleibt so lange aus. Ich schickte ihn zu dem Erbprinzen von Baireuth.

ERBPRINZ aus der Tür und beiseite. Zu mir?

KÖNIGIN. Nach den Briefen, die mir der Prinz von meinem Sohn gebracht, muß es einer der besten Fürsten des Jahrhunderts werden.

ERBPRINZ beiseite. Das Terrain wird günstig.

KÖNIGIN. Mein Sohn, der die Menschen so richtig zu beurteilen versteht, schildert mir ihn als einen Charakter, dem ich[88] mich ganz vertrauen darf. Und gerade jetzt bedarf ich eines entschlossenen Beistandes mehr denn je.

SONNSFELD erschreckend. Ist wieder etwas im Werke, Majestät?

KÖNIGIN. Meine ganze Kraft muß ich aufwenden. Ja, es gilt, die Würde einer Monarchie zu behaupten, deren natürlicher Vertreter es täglich mehr zu vergessen scheint, daß sich Preußen seit kurzem in die Reihe der europäischen Großmächte gestellt hat.

SONNSFELD. Majestät, Sie wollen Unruhen stiften?

KÖNIGIN. Ich brenne vor Begierde, einen Prinzen kennen zu lernen, den mein Sohn seiner Freundschaft würdigte –

SONNSFELD gibt dem Erbprinzen einen Wink.

KÖNIGIN. Sobald er da ist, liebe Sonnsfeld –

SONNSFELD zeigt auf den herausgetretenen Erbprinzen. Kamke läßt ihn soeben ein! Da ist er schon.

KÖNIGIN steht auf. Sie überraschen mich, Prinz! Ich habe Sie nicht eintreten hören –

ERBPRINZ. Ihre Majestät schienen in so tiefe Betrachtungen versunken –

KÖNIGIN beiseite. Ein einnehmendes Äußere, ein geistvolles Auge. – Hat Ihnen mein Kammerdiener ...?

ERBPRINZ. Im Begriff auszugehen, begegnete mir dieser Biedermann auf der Treppe meines Hotels. Er drückte mir den unverzüglichen Befehl Ew. Majestät aus –

KÖNIGIN. Bitte, Erbprinz –! Setzt sich und winkt dem Erbprinzen, ein Gleiches zu tun. Meinen herzlichsten Dank für die überbrachten Briefe meines trefflichen Sohnes. Eine Stelle, die ich wohl mehr als zehnmal überlesen habe, läßt mich vermuten, daß Sie über einen gewissen Plan, eine gewisse Angelegenheit bereits von ihm unterrichtet worden sind –

ERBPRINZ. Jawohl, jawohl, Majestät! Beiseite. Ich weiß kein Wort.

KÖNIGIN. Ich bin sehr glücklich, daß ich wie immer, so auch hier mit meinem Sohn ganz einverstanden bin, und auch Sie billigen gewiß vollkommen unsere Ansicht von diesem Gegenstande?

ERBPRINZ. Ohne Zweifel, vollkommen, ganz Ihrer Ansicht. Beiseite. Über was für einen Gegenstand?

KÖNIGIN. Mein Sohn schreibt mir, daß ich auf Ihre Teilnahme in dieser Angelegenheit unbedingt rechnen kann.

ERBPRINZ. Er hat nicht zuviel gesagt, Majestät. Als ich aber von ihm Abschied nahm, rief er mir noch in den Wagen nach: Lieber Freund, über diesen bewußten Gegenstand wird dir die[89] Königin, meine gnädigste Mutter, noch das Ausführlichere und Umständlichere mitteilen.

KÖNIGIN. Das ist ganz sein Stil! Sie sehen mich bereit dazu.

ERBPRINZ beiseite. Das verwickelt sich.

KÖNIGIN. Sie wissen, daß der brandenburgische Kurhut erst seit kurzem mit der preußischen Königskrone vertauscht wurde. Obgleich ursprünglich eine hannöverische Prinzessin, fand ich doch in Preußens Größe mein Glück, in Preußens Ruhm meinen Stolz. Kein Staat hat in der Wahl seiner Bundesgenossen, Verschwägerungen und Verwandtschaften Ursache, so vorsichtig zu sein, wie der unsrige. Und deshalb gibt es auch gewiß keinen Gegenstand, der in diesem Augenblick so lebhaft, so ausschließlich die Aufmerksamkeit und das Interesse des Landes in Anspruch nehmen darf, als eine Frage, die auch bereits alle Kabinette Europas beschäftigt, eine Frage, die Sie ohne Zweifel schon erraten haben.

ERBPRINZ. Ich glaube Ew. Majestät vollkommen zu verstehen. Beiseite. Was meint sie nur?

KÖNIGIN. Ich bin gewiß ohne Stolz. Aber wenn man einem Hause angehört, das wie das hannöverische kürzlich die Ehre gehabt hat, auf den Thron von England berufen zu werden, wenn man die Tochter eines Königs, die Mutter eines künftigen Königs, die Gemahlin eines Königs ist, dann werden Sie einsehen, daß ich für die Zukunft meiner Tochter Rücksichten zu nehmen habe, die mich bestimmen müssen, jede politische Mesalliance zu vermeiden.

ERBPRINZ. Mesalliance? Ihrer Prinzessin Tochter? Verwirrt. Ich muß gestehen – von diesen Verhält nissen war ich – nur oberflächlich unterrichtet –

KÖNIGIN. Was ich Ihnen, Ihrer gewissenhaftesten Verschwiegenheit, mitteilen werde, Prinz, ist ein Geheimnis und das Ergebnis der ernstesten Kombinationen. Sie wissen, an welchem Hofe ich lebe. Man entzieht mir den Einfluß, der mir als Landesmutter gebührt. Der König hat sich mit Personen umgeben, die ihn von mir entfernt halten. Wie wird diese Gesellschaft von Korporalen und Wachtmeistern meinen tieferwogenen Plan aufnehmen? Wie werd' ich den König selbst gestimmt finden in einer Angelegenheit, die für das Glück seiner Kinder, den Ruhm seines Hauses entscheidend ist? Sehen Sie da, Prinz, den Punkt, wo ich fühle, daß ich eines Mannes von Ihrem Scharfsinn, Ihrer Beobachtungsgabe bedarf, um zu wissen, was ich hoffen darf, oder Entschlossen. wenn es sein soll – was ich wagen muß![90]

ERBPRINZ. Es soll meine eifrigste Sorge sein, das Vertrauen Ew. Majestät zu rechtfertigen. Beiseite. Himmel –!

KÖNIGIN. So erfahren Sie denn eine im geheimen bereits abgeschlossene Verhandlung, an welcher sich sämtliche nächste Anverwandte unsers Hauses bereits beteiligt haben, und in welche ich nun auch Sie, den Freund meines Sohnes, hiermit feierlich einweihe. Meine Tochter wird die Gemahlin meines Neffen, des Prinzen von Wales, und somit die künftige Königin von England! Beide stehen auf.

ERBPRINZ beiseite. Schöne Konkurrenz das!

KÖNIGIN. Sie sehen, Prinz, was auf dem Spiele steht! Wollen Sie es übernehmen, diese wichtige, für Europa bedeutungsvolle Frage mit meinem Gemahl zu vermitteln?

ERBPRINZ. Ich? Vermitteln? Mit – mit Vergnügen, Majestät! Beiseite. Abscheuliche Kommission!

KÖNIGIN. Nun denn, so beginnen Sie! Der König kommt. Sie werden sich ihm vorstellen. Benutzen Sie den günstigen Augenblick, ihn auf seine Meinung über den Thron von England zu bringen, und teilen Sie mir dann unverzüglich Ihre Resultate mit!

ERBPRINZ. Ich bin so überrascht von dieser – ehrenvollen Wendung – Wann darf ich Ew. Majestät aufwarten?

KÖNIGIN. Zu jeder Zeit, doch am liebsten des Abends, wo sich während der Ihnen geschilderten Gesellschaft des Königs meine Getreuen in aller Stille um mich versammeln. Leben Sie wohl, lieber Erbprinz von – von – sieh, sieh, hat mein Sohn vergessen zu schreiben, ob Sie einst Ansbach oder Baireuth bekommen werden! Man verwechselt immer diese kleinen Fürstentümer – Ansbach und Baireuth, Baireuth und Ansbach, jawohl, lieber Erbprinz von – Ansbach! Also: Preußen, Hannover und England! Ab mit stolzer Herablassung zur Seite.


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 2, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 88-91.
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