Sechster Auftritt.


[102] Grumbkow und Seckendorf jeder mit einem kleinen Pack rotgebundener Bücher unterm Arm. König, dann Eversmann.


GRUMBKOW. Majestät halten zu Gnaden, sollte man glauben, daß im Schoß der königlichen Familie so unerhörte Frevel im Werke wären!

KÖNIG. Was gibt's denn schon wieder?

GRUMBKOW. Ew. Majestät wissen bereits von dem Franzosen, der ohne Legitimation auf den Straßen Berlins herumlief und sich sogar zu sagen erdreistete, er würde als Sprachmaitre bei Prinzessin Wilhelmine angestellt werden.

KÖNIG. 's ist ein Perückenmacher aus Orleans.

SECKENDORF. Aber man ist auf weitere Kombinationen gekommen, Majestät. Man hat bei diesem Menschen Bücher gefunden, die einen gefährlichen Zusammenhang mit Rheinsberg voraussetzen lassen –

GRUMBKOW. Überzeugen sich Ew. Majestät. Diese unsittlichen französischen Schriften tragen sämtlich die Chiffre Sr. Hoheit des Kronprinzen.

SECKENDORF. F. P. R.

GRUMBKOW. Frédéric Prince Royal!

KÖNIG wallt zornig auf, nimmt eins der Bücher und klingelt.

EVERSMANN kommt.

KÖNIG. Eversmann! Mit Pathos. Meine Brille!

EVERSMANN ab. Kehrt sogleich mit dem verlangten großen Glase, das jedoch nicht zum Aufsetzen ist, zurück.

KÖNIG. Der Generalfiskal soll die Papiere des Landstreichers aufs genaueste untersuchen. Ich will keine französischen Possenreißer im Lande. – Sieht eins der Bücher an. Der Stempel des Kronprinzen! Aber nein! Nein! Der Vagabund hat sie ihm gestohlen!

GRUMBKOW. Oder sind sie für den Unterricht der Prinzessin Wilhelmine bestimmt –

KÖNIG. Dieser Genre von Büchern! Solche französische – sieh! sieh! Das ist – das ist ja wohl gar der abscheuliche Roman von dem buckligen Scarron, dem Gemahl der saubern Madame Maintenon, die berüchtigte Satire auf unsern Hof.

GRUMBKOW UND EVERSMANN. Unsern Hof?[102]

KÖNIG blätternd. Eine Satire auf uns alle, auf mich, auf Seckendorf, auf Grumbkow, auf Eversmann –

EVERSMANN. Auch auf mich?

KÖNIG ernst. Der Kronprinz hat alles unterstrichen, damit man's besser versteht. Ein Marschall mit dem Beinamen le Chicaneur. Sie wissen doch, das sollen Sie sein, Grumbkow?

GRUMBKOW. Empörend!

KÖNIG. Der Ambassadeur Vicomte de la Rancune mit dem Beinamen le petit combinateur; Seckendorf, das sind Sie.

SECKENDORF. Völkerrechtswidrig!

KÖNIG. Und Eversmann, den nennt er immer la Rapinière. Das heißt soviel als »der alte Nimmersatt«!

EVERSMANN. Der Racker! Und solche Bücher kommen ins Land herein und werden noch ordentlich vom Kronprinzen gestempelt?

KÖNIG. Ist Wilhelmine beteiligt – es wäre empörend. Der Generalfiskal soll alles streng untersuchen. Im äußersten Zorn. Ist denn für mich kein ruhiger Augenblick möglich!

EVERSMANN. Majestät, die gottlosen Bücher sollen in die Scharfrichterei, damit sie öffentlich verbrannt werden?

KÖNIG. Nein, nicht als Fidibus in unserm Kolleg möcht' ich sie haben. Nicht einmal zum Verbrennen für die Festlichkeiten, die wir – Meine Herren, schütteln Sie's ab wie ich. Heut' abend, wenn unser Pfeifchen dampft und glüht, bei einem Trunke deutschen Gerstensaftes, machen wir uns dafür ebenso über Versailles und das ganze französische Ministerium lustig.

GRUMBKOW UND SECKENDORF beiseite. Nicht für die Festlichkeiten –?

EVERSMANN. Aber die Bücher werden doch verbrannt, Majestät?

KÖNIG. Gewiß. Aber auf eine andere Manier! Schick' Er sie hinaus vors Oranienburger Tor in die Pulvermühlen. Da sollen sie für meine Grenadiere Patronen draus machen. Ab.

GRUMBKOW, SECKENDORF UND EVERSMANN beiseite. Festlichkeiten?


Alle folgen.

Verwandlung.


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 2, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 102-103.
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