Vierter Auftritt.


[135] Hotham. Dann der Erbprinz.


HOTHAM allein. Vortrefflich! Wir schicken uns in die Verhältnisse, und die Verhältnisse schicken sich in uns. Jetzt mein Billett an die Königin! Setzt sich und liest in einem seinem Portefeuille entnommenen, bereits angefangenen Briefe. »Meine hohe Gebieterin! Ihr Wunsch, den Prinzen von Wales zu sehen, ist für Ihren untertänigsten Diener Befehl. Wenn nicht alles fehlschlägt, hab' ich die Ehre, noch diese Nacht den Prinzen von Wales seiner königlichen Tante zuzuführen. Er erwartet nicht nur das Glück, Ew. Majestät die Hand küssen zu dürfen, sondern rechnet auch mit aller Sehnsucht seines Herzens darauf, endlich zum Anblick seiner teuern Prinzessin Braut zu gelangen. Bieten Sie alles auf, für diesen Abend die Prinzessin aus ihrer Haft zu befreien. Schreibt noch hinzu. Ich schlage Ihnen zu dem Ende vor, der Prinzessin anzuraten, sich eines weißen Dominos zu bedienen. In dieser Tracht wird sie ungehindert an den Wachen des Schlosses vorübergehen dürfen.« So! Auf die Art können sich die jungen Leute wiedersehen, das Herz der Mutter bestürmen, die öffentliche Meinung, repräsentiert durch die geladenen Gäste, für sich gewinnen – [135] Siegelt. Wenn ich nun noch den Erbprinzen – aha – da ist er.

ERBPRINZ sieht schon vorher ins Zimmer. Hotham, ich suche Sie überall! Denken Sie sich, was mir eben begegnet ist!

HOTHAM. Wieder ein Auftrag?

ERBPRINZ. Noch kann ich mich kaum fassen. Wie ich trostlos, mich zur Abreise rüstend, zu den Fenstern der gefangenen Geliebten hinaufblicke, nähert sich mir ein Lakai des Königs; ich erwarte eine neue Demütigung, aber denken Sie sich mein Erstaunen über die Überraschung. Sie kennen doch den Wert, den der König auf seine nächtlichen Tabaksgesellschaften legt. Nur Personen, mit denen er ganz besondere Absichten hat, pflegt er zu diesen Gelagen einzuladen. Denken Sie sich mein Befremden, wie ich höre, daß mich Se. Majestät ersucht, ihm vor meiner Abreise heute noch einmal das Vergnügen zu machen, seiner Tabagie beizuwohnen.

HOTHAM. Sie sind eingeladen?

ERBPRINZ. Sie lachen ja?

HOTHAM bricht immer mehr in Lachen aus.

ERBPRINZ. Warum lachen Sie denn?

HOTHAM. Unbeschreiblich komisch!

ERBPRINZ. Komisch? Ich finde es tragisch, wenn ein Fürst so inkonsequent ist, uns erst zu demütigen, und uns dann plötzlich mit Zuvorkommenheiten überhäuft! Was ist Ihnen denn?

HOTHAM. Stellen Sie sich einmal gerade! So! Brust heraus, Kopf in die Höhe, Hände am Leibe, mehr nach hinten zu –

ERBPRINZ. Ja, was wollen Sie denn?

HOTHAM faßt ihm ins Haar. Prächtiger Wuchs!

ERBPRINZ. Was wollen Sie von meinem Haar? Und Ihr Lachen?

HOTHAM. Infolge einer kuriosen diplomatischen Verhandlung bin ich heute zu der Ehre gelangt, gleichfalls zur Tabagie eingeladen zu werden. Und um mir nun den rechten Hautgout der dortigen, wie es scheint, etwas stark natürlichen Unterhaltung zu verschaffen, hat man sich nach einem Wildbret umgesehen, auf das eine allgemeine Hetzjagd angestellt werden soll –

ERBPRINZ. Und dies Wildbret – soll ich sein? Nun wird's zu arg! Hotham, ja, ich will hin, ich will mich ans unterste Ende der großen Tafel setzen, aber ich sage Ihnen, meine Geduld ist erschöpft. Ich will zeigen, daß ich gegen die Späße plumper Soldaten Waffen führe, die ich bisher nicht angewendet habe. Ich will hingehen, mit scheinbarer Ruhe will ich anhören, was man mit mir vorhat, aber dann werd' ich auch meinen Köcher[136] hervorziehen, Pfeil auf Pfeil auf diesen groben Despotismus abschießen, und wenn ihnen auch die Geschosse nicht durchs grobe Lederkoller dringen, dann, Hotham, schlag' ich mit dem Degen drein!

HOTHAM. Brav, Prinz! So recht! Vortrefflich! So kann ich Sie brauchen. So fahren Sie fort! Das ist die Sprache, die man hier reden muß! Die Zeit rückt heran; meinen Plan auseinanderzusetzen, führt zu weit – diesen Brief schnell an die Königin besorgt, dann in die Tabagie – aber Sie sind, seh' ich, in einem Humor, der keine Erörterungen zuläßt. Erhalten Sie sich diesen Zorn, wüten Sie! Recht so! Schnauben Sie – wie ein Tiger! – Führt ihn unterm Arm ab. Wütender! Immer noch wütender! So! Nun werden Sie meinen Plan unterstützen, der kein andrer ist, als den König dadurch zu gewinnen, daß Sie ihm imponieren! Beide ab.


Verwandlung.


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 2, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 135-137.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Zopf und Schwert
Zopf und Schwert
Zopf und Schwert
Zopf Und Schwert; Lustspiel In Fünf Aufzügen. With A Biographical And Historical Introd., English Notes, And An Index (German Edition)