Zweiter Auftritt.


[145] Frau von Viereck, Frau von Holzendorf und noch etwa sechs Damen treten nach und nach behutsam durch die Mitteltür herein. Lakaien. Später die Königin.


VIERECK. Pst! Treten Sie behutsam auf!

HOLZENDORF flüsternd. Es ist noch alles still. Wenn nur meine erwünschten Schuhe nicht so knarren wollten!

VIERECK flüsternd. Was mag Ihre Majestät die Königin nur vorhaben?

HOLZENDORF. Ist denn Se. Majestät der König verreist?

VIERECK. Beim französischen Gesandten hört' ich, Se. Hoheit der Kronprinz wäre von Rheinsberg gekommen –

HOLZENDORF. Wahrscheinlich zugleich mit Sr. Hoheit dem Prinzen von Wales –

VIERECK leise. Beide waren soeben in der Tabagie des Königs. Der Kronprinz soll sich aufs neue mit seinem Vater über die künftige Verwaltung des Staates überworfen haben.

HOLZENDORF. Ist es möglich?

VIERECK. Und der Erbprinz von Baireuth soll den Streit haben vermitteln wollen, aber der Prinz von Wales soll dem Kronprinzen beigestanden haben.

HOLZENDORF. Der Prinz von Wales? So ist er also doch empfangen worden?

VIERECK. Der König, in der Hitze des Wortwechsels, soll Befehl gegeben haben, die Prinzessin Wilhelmine, die Ursache des Streites, sogleich nach Küstrin abzuführen –

HOLZENDORF. Großer Gott, meine Damen! Und da liegen Karten auf den Tischen! Still, ich höre Geräusch.

VIERECK. Es ist die Königin.

DIE KÖNIGIN im großen Kostüm, tritt sehr aufgeregt und doch voll Bangen ein.

HOFDAMEN verneigen sich.

KÖNIGIN. Willkommen meine Damen! Ich fühle mich glücklich, wieder einmal einen Kreis von Wesen um mich zu haben, die mich lieben! Nehmen Sie Platz! Ich habe mir vorgenommen,[145] geselliger zu werden und Sie wieder öfter bei mir zu sehen. Sie werden spielen, Frau von Viereck?

VIERECK. Spielen, Majestät? Seit achtzehn Jahren erinnere ich mich nicht, im Schlosse eine Karte gesehen zu haben.

KÖNIGIN. Ja, das soll anders werden. Meine Damen, Sie kennen meine Pläne noch nicht; Sie wissen noch nicht, welche Überraschungen Ihnen der heutige Abend bereiten wird –

HOLZENDORF. Überraschungen, Majestät?

KÖNIGIN zeigt auf einen Spieltisch am Fenster. Dorthin, liebe Holzendorf! Machen Sie Partie mit Frau von Viereck –

VIERECK beiseite. Mein Himmel, spielen? Und durch diesen Vorhang kann man deutlich die Konturen meines Schattens sehen.

KÖNIGIN die sich gesetzt hat. Warum zögern Sie?

VIERECK. Um Vergebung, Majestät, wenn wir die Tische etwas näher rückten? An dem Fenster hier zieht es.


Lakaien rücken den Tisch etwas vom Fenster ab.


KÖNIGIN. Ja, meine Damen, mit dem heutigen Abend beginnt eine neue Epoche unserer Monarchie – ich breche endlich unsere bisherige Etikette! In bezug auf die servierenden Lakaien. Befehlen Sie, was Sie vorziehen! Die Getränke Chinas und der Levante sollen von jetzt an keine Fremdlinge mehr an unserm Hofe sein.

HOLZENDORF. Was seh' ich, Tee?

VIERECK. Kaffee? Diese verbotenen Getränke?

HOLZENDORF. Wenn Se. Majestät der König –

KÖNIGIN. Befürchten Sie nichts! Geben Sie sich dem lautesten Ausbruch Ihrer Gefühle, geben Sie sich ohne Furcht dem Bewußtsein einer Sicherheit hin – Es klopft rechts. Klopft es nicht?

VIERECK zitternd, für sich. Was soll das geben –!


Es klopft wieder, alle stehen erschrocken auf.


KÖNIGIN. Ruhig, meine Damen. Wir sind ohne Gefahr. Dieser Abend wird Schlag auf Schlag eine Überraschung nach der andern bringen. Wen vermuten Sie wohl dort an der Tür?


Man pocht wieder.


HOLZENDORF. Die Hand scheint nicht die zarteste zu sein.

KÖNIGIN. Doch! Doch! Es ist das ungestüme Verlangen eines Wesens, das ich den Mut gehabt habe, aus einer entwürdigenden Lage zu befreien. Nehmen Sie ruhig Ihre Plätze ein meine Damen. Lassen Sie sich durch nichts, durch keine Überraschung stören. Von den Dingen, die heute kommen werden, ist dies der Anfang, und so ruf' ich denn, mit überwallendem Gefühl, Während wieder geklopft wird. mäßige dein Ungestüm, geliebtes Wesen, du findest, was du suchtest, deine Mutter! Sie öffnet.


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 2, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 145-146.
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