Als er sich über ihren Tod beklagte

[9] Betrügliches Glücke!

Die stählerne Brücke

Der Hofnung zerfällt;

Der Becher der Freuden

Wird mir durch dies Leiden

Mit Wermuth vergällt.


Die Sonne der Tugend,

Die Blume der Jugend,

Geht unter und ein;

Der Himmel wird trübe,

Die Flammen der Liebe

Verlieren den Schein.


Der Frühling der Jahre

Erstirbt auf der Baare:

Wer wird mir den Kuß

Wie vormahls gewähren?

Ach langes Entbehren!

Ach kurzer Genuß!


Erblaste Florette,

Dein Tod reißt die Kette

Der Eintracht entzwey;

Dein Leichenbegängnüß

Zeigt, wie das Verhängnüß

Mein Henckersknecht sey.


Bedeckt mich, ihr Berge,

Umfast mich, ihr Särge,

Versagt mir die Luft!

Mein Geist mag zerfliegen,

Des Leibes Vergnügen

Ist Moder und Gruft.
[10]

Ich sterbe vor Kummer,

Der ewige Schlummer

Entgeistert die Brust.

Ich liebte von Herzen,

Ich lebte mit Schmerzen,

Ich sterbe mit Lust.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 9-11.
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