Glaube und Hofnung

[38] Mein Vertrauen gründet sich

Auf zwey Pfeiler, die nicht wancken:

Glaub und Hofnung führen mich

Durch die engen Lebensschrancken

An das Ziel, wo Kampf und Streit

Lorbeerkränze prophezeit.


Eher wird ein morsches Rad

Neunzig Centner und den Wagen

Als ein zweiflender Soldat

Einen Zweig von Palmen tragen;

Läufer, die der Kranz erhizt,

Eilen, ob der Fuß gleich schwizt.


Ohne Glauben, ohne Licht:

Niemand sizt im Finstern sicher,

Ohne Glauben siegt man nicht.

Redet selbst, ihr stummen Bücher:

Abrahams Gerechtigkeit

Ist des Glaubens Ehrenkleid.


Auch die Hofnung stärckt das Herz:

Creuz und Christ sind gerne Brüder.

Hält nun gleich ein herber Schmerz

Meine Großmuth an und nieder,

Ach, so fällt mir dennoch ein:

Nach den Thränen schmeckt der Wein.


Niemahls wird ein Heldenmuth

In der Kummersee ersaufen;

Noä Kasten trozt die Fluth,

Bis die Wäßer sich verlaufen.

Wer den Hofnungsancker hat,

Findet bald ein Ararat.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 38-39.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Gesammelte Gedichte
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)
Gedichte Von Johann Christian Günther (German Edition)