Als er von seinem Nebenbuhler abgestochen zu werden besorgte

[68] Geliebtes Kind, der schöne Täuber,

Der nun mein Nebenbuhler ist,

Macht, daß der Argwohn mir so Marck als Herze frist.

Warum? Ich kenne schon den Unbestand der Weiber,

Die nicht so wohl den Mensch als nur das Wams beschaun

Und ihres Glückes Grund auf Gold und Silber baun.

Ihr leichter Sinn verschmäht die guten Künste

Und stellt die Klugheit und Verstand

Dem Reichthum an die lincke Hand.

Glänzt nur die Brust von einem Wurmgespinste,

Das Farb und Arbeit theuer macht,

So wird das Herze nicht bedacht,

Das unter Seid und Sammt oft einen Schalck verheelet;

Ja wiegt der Beuthel nur fein schwer,

So wird der Bräutgam flugs erwehlet,

Und wenn er auch ein Jude wär.

Ach, Olorene, tröste mich!

Du siehst die Furcht, so mich betrübet.

Ich sichre dich,

Daß meine Redligkeit dir einen Mahlschaz giebet,

Den dieser nie bezahlen kan,

Der deinen Vater jezt um deine Gunst gesprochen.

Bedencke stets den Eid, den mir dein Mund gethan!

Der Liebe falscher Schwur wird warlich auch gerochen.

Blüht mir das Glücke nicht,

Bin ich gedrückt und arm und überall verlaßen,

Sind jezt der Feinde viel, die meine Warheit haßen,

So glaube doch,

Der Himmel kan das Joch

Dereinst von meinem Halse nehmen

Und meine Wißenschaft noch aus dem Staube ziehn.

Denn müste, soltestu mir jezo gleich entfliehn,

Dein blinder Selbstbetrug sich seiner Thorheit schämen.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 68-69.
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